Todesfee
Eifer hundertundachtzig Bücher der Druiden verbrannte. Ein unvorstellbarer Verlust von Wissen!«
»Es war richtig, diese Bücher voller heidnischer Ungehörigkeiten zu zerstören«, protestierte der Klostervorsteher.
»Für einen wahren Gelehrten war es ein Sakrileg, das niemals hätte geschehen dürfen.«
»Er war im Irrtum!«
»Die Verbrennung von Büchern, die Vernichtung von Wissen ist ein furchtbares Verbrechen gegen die Menschheit. Gleichgültig, in wessen Namen es geschieht«, gab Fidelma zurück. »Gelasius hat das erkannt. Er wusste, dass er für ein Verbrechen mitverantwortlich war, das gegen seine eigene Kultur |382| sowie gegen die Weisheit der ganzen Welt verübt worden war.«
Pater Maílín schwieg einen Moment lang und sagte dann: »Ich habe ihn nicht getötet. Er hat sich selbst das Leben genommen. Deshalb habe ich versucht, die fahrenden Söldner zu beschuldigen.«
»Gelasius wurde ermordet«, widersprach Fidelma. »Jedoch nicht von den Söldnern. Er wurde von einem Mitglied dieser Gemeinschaft getötet.«
Pater Maílín wurde blass und blickte sie entsetzt an.
»Du kannst unmöglich glauben, dass ich … ich wollte nur seinen Selbstmord vertuschen und das Wesen seiner Arbeit verbergen. Ich habe ihn nicht getötet!«
»Das weiß ich … jetzt. Was mich zunächst auf die falsche Fährte brachte, war die Tatsache, dass du und der wahre Mörder eure Angst vor Gelasius’ Arbeit teilt. Doch diese Angst ließ euch beide unterschiedlich handeln. Als der Mörder zuschlug, wollte er den Anschein erwecken, Gelasius habe Selbstmord begangen und ihn so in Verruf bringen. Du dagegen glaubtest, dass Gelasius’ Selbstmord echt sei und Schande über den Glauben bringen würde. Deshalb versuchtest du, diesen vermeintlichen Selbstmord zu verbergen und die fahrenden Söldner des Mordes zu bezichtigen.«
»Wer hat also den Ehrwürdigen Gelasius ermordet?«, verlangte Pater Maílín zu wissen. »Und wie? Es gab nur einen Schlüssel, und du hast gesagt, du hättest ihn in Gelasius’ Zelle gefunden.«
»Lass mich zunächst erklären, warum ich nicht glaubte, dass sich Gelasius selbst das Leben genommen hat. Er war ganz offensichtlich allein rein physisch nicht in der Lage, das zu tun. Er war alt und gebrechlich. Ich habe mich auf sein Bett gestellt und die Arme nach dem Deckenbalken ausgestreckt. Ich bin |383| groß und konnte ihn daher erreichen. Aber für einen alten und gebrechlichen Mann von kleinem Wuchs wäre es unmöglich gewesen, sich auf das Bett zu stellen, das Seil an den Balken zu binden und sich zu erhängen.
Einer der Brüder war jedoch äußerst bemüht, die Aufmerksamkeit auf das Wesen von Gelasius’ Arbeit zu lenken. Er gab vor, es zu billigen, doch zugleich deutete er an, Gelasius’ sei von seinen Erkenntnissen so überwältigt gewesen, dass er seiner Mitschuld an der Zerstörung unserer alten Glaubensinhalte und Rituale nicht ins Auge sehen konnte. Er behauptete sogar, Gelasius habe einem gewissen Zitat von Plinius zugestimmt. Das Buch, in dem es stand, die
Naturalis Historia
, platzierte er so geschickt auf Gelasius’ Regal, dass ich es finden musste, nachdem er meine Neugierde geweckt hatte. Es war die Stelle, an der Plinius schreibt, dass Gott dem Menschen den Selbstmord als ›bestes Geschenk in den so großen Mühen des Lebens‹ gegeben habe. Bruder Ledbán ist der Mörder.«
»Ledbán?« Pater Maílín sah sie verblüfft an. »Der
delbatóir
? Aber er hat doch mit dem Ehrwürdigen Gelasius zusammengearbeitet …«
»Und wusste somit genaustens über dessen Arbeit Bescheid. Einer von Ledbáns Fehlern war, vorzugeben, er könne die Ogham-Schrift nicht lesen, obwohl er sie, wie du selbst gesagt hast, gut genug beherrschte, um Gelasius einer Fehlinterpretation bezichtigen zu können.«
»Dennoch gibt es eine Sache, die du nicht erklären kannst«, wandte Pater Maílín ein. »Und daran scheitert deine ganze Argumentation. Es gibt nur einen Schlüssel, und du hast selbst zugegeben, ihn in Gelasius’ Zelle gefunden zu haben.«
Fidelma lächelte wissend.
»Ich denke, man wird einen zweiten Schlüssel finden. Worin besteht Bruder Ledbáns Arbeit?«
|384| »Er ist
delbatóir
… Warum?«
»Er stellt Buchbeschläge und Buchkästen aus Metall her, indem er sie mithilfe von Formen aus Gold oder Silber gießt. Es war sicher nicht schwer für ihn, einen zweiten Schlüssel zu gießen, nachdem er zunächst mit Hilfe des ersten eine Form hergestellt hatte. Dazu nimmt man einfach den
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