Todesfee
all den Jahren diesen Augenblick herbeigesehnt |178| habe? Ich habe Una geliebt. Wahrhaftig geliebt. Ich wurde von einer rasenden Wut übermannt, die ich sofort bereute. Seit Duarcáns Statue hier aufgestellt wurde, bin ich jede Nacht hierhergegangen und habe sie um Vergebung gebeten …«
»Deine Reue wäre eher glaubwürdig gewesen, hättest du dieses Geständnis vor zwanzig Jahren abgelegt. Ich werde dich in die Hände von Bruder Liag übergeben; sei bereit, dich für deine Verbrechen zu verantworten.«
Bruder Liag sah den Abt angewidert an.
»Einige von uns haben gewusst, dass du dich heimlich vor ihrer Statue geißelst. Uns war jedoch nicht klar, dass du dich nur wie ein Hund verhalten hast, der zurückkehrt, wie ein Hund sein Gespeites wieder frisst, also ist der Narr, der seine Narrheit wieder treibt. So steht es in den Sprüchen Salomos. 9 Du verdienst kein Mitleid.«
|179| DIE TODESFEE
»Drei Nächte lang war nachts das Heulen der Todesfee vor seiner Tür zu hören gewesen. Es überraschte niemanden, als man seine Leiche fand. Seine Zeit war gekommen.«
Schwester Fidelma sah Bruder Abán erstaunt an.
Der ältere Mönch saß etwas vorgebeugt auf seinem Stuhl und schauderte leicht, obwohl es nicht kalt war. Seine dünnen Lippen bebten ein wenig; aus einem Mundwinkel lief ein Tropfen Speichel und fing sich in den graumelierten Bartstoppeln auf dem unrasierten Kinn. Seine blassen Augen traten aus dem knochigen, fast skelettartigen Schädel hervor, über dem sich die Haut straff wie Pergament spannte.
»Ihm war der Tod bestimmt«, wiederholte der Alte beinahe störrisch. »Man kann den Todesschrei nicht ignorieren.«
Fidelma wurde klar, dass der Alte aufgewühlt war und mit tödlichem Ernst sprach.
»Wer hat dieses Heulen gehört?«, fragte sie und bemühte sich, ihre Skepsis nicht zu zeigen.
Es war ganz offensichtlich, dass der Alte Angst hatte. »Glass, der Müller, dessen Haus sich in der Nähe befindet. Und Bláth hat auch gesagt, dass der Lärm sie geweckt hat.«
Fidelma schürzte die Lippen und stieß in einem fast lautlosen Pfiff die Luft aus.
»Mit ihnen werde ich später reden. Erzähl mir, was du darüber |180| weißt, Bruder Abán. Nur die Tatsachen, die dir bekannt sind.«
Der ältere Mönch seufzte, als wolle er Ärger unterdrücken.
»Ich dachte, die kennst du schon. Meine Nachricht war doch klar und deutlich?«
»Man hat mir gesagt, dass ein Mann unter ungeklärten Umständen tot aufgefunden wurde. Der Bote bat den obersten Brehon von Cashel, einen
dálaigh
, einen Anwalt, zu schicken, der diese Umstände untersuchen solle. Mehr weiß ich bis jetzt nicht, nur, dass der Mann Ernán hieß, dass er Bauer war und dass er mit einer Wunde am Hals tot auf seiner Türschwelle lag«, erklärte ihm Fidelma.
»Dies ist ein friedlicher Ort«, rechtfertigte sich Bruder Abán auf einmal. »Wir sind nur eine kleine bäuerliche Gemeinde am Ufer des Flusses Siúr. Die Natur beschenkt uns reichlich, deshalb nennen wir den Ort auch ›Honigfeld‹. So etwas ist hier noch nie passiert.«
»Es wäre hilfreich, wenn ich genau wüsste, was passiert ist«, murmelte Fidelma. »Also erzähl mir, was du weißt.«
»Ich bin der einzige Mönch hier«, fuhr Bruder Abán fort, als habe er ihre Bitte nicht gehört. »Ich kümmere mich seit vierzig Jahren um die spirituellen Bedürfnisse dieser kleinen Gemeinde. Noch nie zuvor …«
Er verstummte; Fidelma musste ihre Ungeduld zügeln und warten, bis der Alte bereit war, weiterzureden.
»Die Tatsachen?«, fragte er dann plötzlich und blickte sie mit seinen leuchtenden Augen an.
»Das sind die Tatsachen: Als ich gestern früh meine Morgengebete sprach, kam Bláth an meine Tür und rief, dass man Ernán mit aufgeschlitzter Kehle vor seiner Haustür gefunden habe. Ich ging zu seinem Haus und stellte fest, dass das stimmte. Dann schickte ich nach Cashel und bat um einen
dálaigh
.«
|181| »Was war denn so verdächtig, dass es dich dazu veranlasste?«
Bruder Abán rieb sich nervös die Stoppel auf seinem Kinn.
»Bláth hat mir erzählt …«
Fidelma hob die Hand.
»Sag mir vorher genau, wer Ernán war.«
»Ernán war ein junger Bauer, er hat die unteren Felder am Flussufer bewirtschaftet. Ein gutaussehender junger Mann, verheiratet und ohne einen einzigen Feind auf dieser Welt. Ich kannte seine Eltern, bevor sie starben. Gute Christen, die ein untadeliges Leben führten.«
»Und Bláth? War das seine Frau?«
Bruder Abán schüttelte den Kopf.
»Ernáns
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