Todesfracht
Smith wusste, dass die Eigentümer von Karamita für jede Art von Korruption und Bestechung zugänglich waren.
»Die Dichter schreiben sehr oft, wie riesig der Ozean ist, und das ist wahr, Mr. Singh, aber die Welt, wissen Sie, kann manchmal erstaunlich klein sein. Man hört so vieles.«
»Und wo hört man vieles?« Juan schaute sich wachsam um. »An verschiedenen Orten und von den verschiedensten Leuten. Ich kann mich nicht mehr genau entsinnen, wer mir von Ihrem netten Unternehmen erzählt hat, aber Gerüchte verbreiten sich schneller als ein Magen-Darm-Virus und sind meistens noch schwerer zu beherrschen.«
Sein Blick richtete sich wieder auf Singh, und sein Gesichtsausdruck hatte sich deutlich verhärtet. Abhay Singh verstand sehr wohl, was ihm Cabrillo zwischen den Zeilen mitteilte: Stell weitere Fragen, und ich sorge dafür, dass sich die Behörden Karamita ein wenig genauer ansehen werden.
Singh brachte ein unsicheres Lächeln zustande. »Es erfreut mein Herz zu hören, dass man sich derart lobend über unseren Betrieb äußert. Ich denke, wir können zu einer Einigung kommen, Captain Smith. Sie müssen wissen, dass der Preis für Schrottstahl auf dem Markt im Augenblick ziemlich hoch ist, daher denke ich, dass Sie für die Tonne hundertzehn Dollar erzielen können.«
»Ich dachte eher an fünfhundertfünfzig Dollar«, konterte Juan. Eigentlich hätte er diesen Preis wegen der Aluminiumbarren, die er als Bonus mitlieferte, noch vervierfachen können, aber er wollte die Verhandlungen so schnell wie möglich beenden und den Ruch der Unehrlichkeit wegwaschen.
»Nein, das geht nicht«, erwiderte Abhay, als hätte Juan soeben seine Schwester beleidigt. »Ich kann vielleicht bis zweihundert gehen.«
»Sie können bis vierhundert gehen, aber ich bin mit dreihundert zufrieden.«
»Oh, Captain«, stöhnte Singh theatralisch und benahm sich so, als beleidigte Cabrillo jetzt seine Mutter. »Bei diesem Preis bekäme ich noch nicht einmal meine Kosten herein.«
»Ich denke, Sie bekommen mehr als Ihre Kosten herein. Wir beide kennen den Wert der Fracht. Warum sagen wir nicht zweihundertfünfzig pro Tonne, und ich bringe das Schiff in zwei Tagen zu Ihrem Betrieb.« Singh hielt inne, um sich dieses Angebot durch den Kopf gehen zu lassen. Juan wusste, dass die
Maus
Karamita höchstwahrscheinlich zum gleichen Zeitpunkt erreichen würde, an dem er die
Oregon
dort ablieferte, und er fragte sich, was bei dem Sikh wohl stärker wäre: Habgier oder Vernunft. Ein vorsichtiger Mensch würde den Betrieb schließen, bis das Schwimmdock seine Fracht entleert und sie die Spuren ihres Piratenüberfalls verschrottet hätten, aber Singh war im Begriff, bei dem Preis, den Juan hier verlangte, ein Vermögen zu verdienen.
Der Sikh traf seine Entscheidung. »Das Lager des Betriebs ist im Augenblick voll. Bringen Sie Ihr Schiff in sieben Tagen, und wir haben wieder Platz.«
Juan erhob sich und streckte dem Sikh seine verschwitzte Hand entgegen. »Abgemacht, aber nur für den Fall, dass die Schiffseigner irgendwelche Spione hier in Jakarta haben, bin ich ohnehin in zwei Tagen in Karamita.« Er hatte das Büro bereits verlassen und ging am Empfang vorbei, ehe seine Ankündigung von Abhay Singhs Verstand verarbeitet werden konnte.
Er traf George Adams am Flughafen, und der Pilot brachte sie mit dem Hubschrauber zurück zur
Oregon
, wo das Schiff eine Position außerhalb der Schifffahrtslinien bezogen hatte.
George hatte während der letzten Tage zwanzig Stunden in der Luft verbracht, um das Team, das sich Juan für die Schweiz zusammengestellt hatte, zur
Oregon
zurückzubringen. Schließlich war die ganze Mannschaft wieder vereint – mit der allseits schmerzlich zur Kenntnis genommenen Ausnahme von Eddie Seng.
In seiner Kabine schlüpfte Cabrillo schnellstens aus dem Jeb-Smith-Kostüm, stopfte die übel riechenden Kleider und die Perücke in einen Plastiksack und deponierte diesen bis zum nächsten Mal, da er diese Rolle wieder würde spielen müssen, ganz hinten in seinem begehbaren Kleiderschrank. Er schäumte sein Gesicht mit einem Rasierpinsel ein und glättete seine Haut sorgfältig während einer Nassrasur. Im Spiegel über dem Kupferwaschbecken gewahrte er das Glitzern in seinen Augen, das sich immer dann bemerkbar machte, wenn er sich seiner Jagdbeute näherte. Dass Singh sich bereiterklärt hatte, ein Schiff ohne eindeutigen Eigentumsnachweis zu kaufen, war schon Grund genug, den Mann zu verhaften, aber noch wichtiger schien,
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