Todesgott
der Straße
, hm«, sagt Friðbert, der in meinem Alter zu sein scheint, »mein erster und letzter Kinofilm. Danach haben sie mir keine Chance mehr gegeben. Jetzt verdiene ich meine Brötchen in der TV - und Werbebranche.«
»Tut mir leid.«
»Aber nein, das muss dir nicht leidtun. Mir geht’s damit viel besser. In Island machen nur Masochisten oder Idioten, die eh nicht mehr zu retten sind, Kinofilme. Die scheinen es darauf anzulegen, pleitezugehen. Am besten mehrmals.«
»Ich würde gern deine Meinung über Skarphéðinn hören. Wie bist du auf ihn gestoßen?«
»Wir haben über eine Anzeige nach Jugendlichen gesucht, die in einem Film mitspielen möchten, und ein Casting gemacht. Es kamen unglaublich viele. Hat mich drei Tage gekostet, sie alle abzufertigen.«
»Und warum hast du Skarphéðinn die Hauptrolle gegeben?«
»Erstens wegen seines Äußeren; er war der richtige Typ für so einen Motorradmacker. Zweitens, weil er diesen ländlichen Dialekt aus dem Nordland hatte; der passte gut zu einer Hauptfigur, die nicht aus den höhergestellten Reykjavíker Kreisen stammt. Drittens war er zwar noch ungeübt und nicht geformt, aber eindeutig schauspielerisch begabt. Und viertens war er unglaublich ehrgeizig und hat mich davon überzeugt, dass er alles geben würde, was sich auch bewahrheitet hat. Manchmal schoss er sogar übers Ziel hinaus.«
»Übers Ziel hinaus?«
»Ja, er hat sich manchmal in Dinge eingemischt, die ihn nichts angingen. Nicht aus Dreistigkeit, sondern aus echtem Interesse. Und der Junge war der geborene Anführer. Die anderen Kids aus der Truppe lagen ihm zu Füßen.«
»Vor allem die Mädchen, nehme ich an?«
Friðbert denkt einen Moment nach. »Die Mädchen waren alle in ihn verknallt. Jedes einzelne.«
»Und wie erging es ihnen damit?«
»Bleibt das unter uns?«
»Ja, ich zitiere nur die Dinge, die du über Skarphéðinn als Schauspieler gesagt hast.«
»Ich kann mich dran erinnern, dass es einige unglückliche Liebesgeschichten innerhalb der Truppe gab.«
»Und mehr weißt du darüber nicht?«
»Nein.«
»In dem Film hat Örvar Páll Sigurðarson, der mit Skarphéðinn hier in Akureyri
Loftur, der Magier
inszeniert hat, eine Nebenrolle gespielt. Ein merkwürdiger Zufall, oder?«
»Findest du? Die isländische Film- und Theaterwelt ist nicht besonders groß.«
»Also wirklich nur ein Zufall?«
»Ich wüsste nicht, was sonst.«
»Und Skarphéðinns tragisches Schicksal, hat dich das überrascht?«
»Allerdings. Ich hätte gewettet, dass diesem jungen Mann alle Türen offen stehen.«
»Dann danke ich dir herzlich für …«
»Ein merkwürdiger Zufall ist allerdings …« Es ist, als würde er laut denken, aber mittendrin abbrechen.
»Was ist ein merkwürdiger Zufall?«
»Ach, mir ist nur gerade eingefallen, dass ich vor ein paar Jahren gehört habe, dass Inga Lína, Skarphéðinns Partnerin in der Rolle des jungen Mädchens, Probleme hatte und gestorben ist. Sie war, wenn ich mich recht erinnere, erst sechzehn.«
Ob es ihr Gesicht gewesen war, das mir bekannt vorkam? Habe ich ein Foto von ihr in der Zeitung gesehen? Laut frage ich: »Woran ist sie denn gestorben?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, sie hatte Drogenprobleme oder Depressionen oder so was.«
»Beide Hauptdarsteller aus
Ritter der Straße
sind also gestorben, bevor sie zwanzig wurden. Das ist wirklich ein merkwürdiger Zufall, wie du schon sagst.«
»Allerdings«, sagt Friðbert Sumarliðason. »Da kann man ja glatt auf dumme Gedanken kommen.«
Das Gymnasium besteht aus einer Ansammlung größerer und kleinerer Gebäude verschiedenen Stils und Alters. Es liegt auf einem Hügel oberhalb und südwestlich der Kirche und der Innenstadt.
Ich weiß auch nicht, warum ich meine, dass sich das Büro des Direktors im alten Schulgebäude befinden muss. Es ist das unterste Gebäude in der Häusergruppe am Rande der Anhöhe – ein stattliches, mit Wellblech verkleidetes Holzhaus mit drei schmucken, verzierten Giebeln und einer Fahnenstange, so wie ich mir ein norwegisches Skihotel vorstelle. Daneben gibt es neuere Anbauten und Gebäude, die alle in einem eigenen Stil gehalten sind.
Auf den grünblauen Paneelen der braunen Holzvertäfelung hängen Erinnerungsstücke an die lange Geschichte der Schule: berühmte Lehrväter auf Tafeln und Gemälden sowie alte und jüngere Bilder der Schüler – anfangs Schuljungen mit Schlips und Kragen, später immer mehr Frauen in langen Kleidern sowie ein
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