Todesgruß vom Gelben Drachen
hin.
Hoffebaum hatte die Hand am Kolben
seiner Dienstpistole.
Aber Hung leistete keinen Widerstand,
sondern nahm den Helm ab und grinste gequält.
„Gut, daß Sie kommen. Ich bin gestürzt.
Mein Fuß ist gebrochen. So sehr ich Ihr Erscheinen begrüße, meine Herren, ein
Arzt wäre mir lieber.“
„Den kriegen Sie. Aber erstmal sind Sie
festgenommen“, sagte Glockner.
*
Gaby, Karl und Klößchen saßen im
Nebenraum. Die Tür war nur angelehnt. Sie konnten mithören. Ab und zu riskierte
Gaby einen Blick durch den Spalt. Klößchen war zu faul zum Aufstehen. Karl
hatte sich anfangs satt gesehen, als Hung in Glockners Büro hereingeführt
wurde. Der rechte Fuß des Dealers steckte in einem dicken, weißen Verband.
Damit man den Kerl nicht stützen mußte, hatte man ihm eine Krücke gegeben.
Er hatte eine hohe, quäkige Stimme — deren
Kälte und Schärfe aber nicht zu überhören waren.
Er spielte sich auf wie die
personifizierte Unschuld, „...nein, französisch spreche ich nicht, Herr
Kommissar. Nur holländisch. Bin in Antwerpen geboren. Deutsch spreche ich
geläufig, wie Sie hören. Und ein bißchen englisch. Ich soll ein Dealer sein?
Ich weiß nicht, wie Sie zu dieser Behauptung kommen. Zeit meines Lebens — und
ich bin 39 — habe ich nie eine Droge in der Hand gehabt. Jedenfalls nichts
Stärkeres als Whisky, den ich sehr schätze. Ich bin Sprachlehrer. Nicht mit
Diplom (abgelegter Prüfung an einer Hochschule), sondern mehr privat.
Privatlehrer sagt man, wie? Mit Rauschgiften habe ich nichts zu tun. Nein, und
ich war auch nicht — wo, sagten Sie? — hinter dem Haus von dieser Frau
Fillititischitzki. Wo soll denn das sein? Einen Dolch besaß ich noch nie. Mich
hat auch kein Jugendlicher angegriffen und mit einer Latte an die Brust
gestoßen. Nein! Zwar schmerzen mir die Rippen zur Zeit, hier an der linken
Seite. Aber das rührt her von einer Unachtsamkeit. Am Türgriff habe ich mich
gestoßen. Bin gestolpert. In dieser Woche steht mein Horoskop — besonders das
chinesische — ganz schlecht. Ein Unfall nach dem andern.“
„Sie haben da eine Narbe am Mundwinkel“,
sagte Glockner. „Auch das war ein Unfall. Vor drei Jahren.“
„Der Chinese, mit dem besagter Jugendlicher
hinter dem Haus von Frau von Tipperitzki zusammenstieß, hatte eine Mundwinkel-Narbe.“
„Und Sie glauben, ich wäre das? Nein,
nein, nein! Es gibt sicherlich noch viele meiner Landsleute, die sich im
Mundwinkel verletzt haben.“
„Was wissen Sie über die Triaden?“
„Über wen?“
„Nie gehört, wie?“
„Ich weiß nicht. Im Moment fehlt mir
die Erinnerung. Wer soll das sein? Es klingt nach Ungeziefer.“
„Da haben Sie allerdings recht.“
Das Telefon klingelte. Glockner meldete
sich. Er brummte, sagte „Wie erwartet“ und legte auf.
„Ihre Wohnung wurde soeben durchsucht,
Herr Hung. Raten Sie mal, was wir gefunden haben!“
„Ich weiß, was sich in meiner Wohnung
befindet. Soll ich alles aufzählen? Bitte, wenn Sie soviel Zeit haben.“
Gaby äugte durch den Spalt.
Ihr Vater sah Hung ausdruckslos an.
„Leider haben wir nichts gefunden, Herr
Hung. Entweder sind Sie sehr vorsichtig. Oder ein Komplice hat inzwischen für
Ordnung gesorgt.“
„Hatten Sie das Recht, meine Wohnung zu
durchsuchen? Ich denke, diese Republik ist ein Rechtsstaat.“
„Und das soll sie auch bleiben. Deshalb
haben wir was gegen den Rauschgifthandel. Der schriftliche Durchsuchungsbefehl
wurde Ihnen vorhin gezeigt. Oder haben Sie das nicht mitgekriegt? Die
Haussuchung ist rechtens.“
„Aber jetzt sehen Sie ein, daß ich
harmlos bin. Kann ich gehen?“
„Ich werde Sie dem Jugendlichen
gegenüberstellen, den Sie angegriffen haben.“
„Ich habe keinen Jugendlichen
angegriffen.“
Glockner nahm den Hörer ab, wählte eine
Nummer und sagte: „Krause, holen Sie ihn ab! Ja, er bleibt in der Zelle. Bis
wir Tim hier haben.“
17. Tim sieht einen Ausweg
Fahl färbte sich der Himmel. Es war
nicht mehr weit bis zur Dämmerung. Auf dem Hof hinter dem HONGKONG wurde es
kälter innerhalb von Sekunden. Jedenfalls schien es Tim so.
Kälte spürt man besonders, dachte er,
wenn plötzlich das Vertrauen weg ist. Verdammt, was mache ich? Lam ist doch
mein väterlicher Freund.
Der Chinese ordnete das Seil und die
Leinengurte, legte alles auf die Pratzen, die er dann — aufeinandergestapelt
wie zwei Kissen — auf die Arme nahm.
„Lam“, sagte Tim. „Durch das Oberlicht
dort konnte ich in Ihr Lokal sehen. Und ich
Weitere Kostenlose Bücher