Todeskind: Thriller (German Edition)
ab und schloss wieder die Augen. Ihre Wangen färbten sich tiefrot, was im starken Kontrast zur Blässe des restlichen Gesichts stand. »Dann … machen Sie nur, aber bitte schnell.«
Verdutzt über ihren merkwürdigen Tonfall, tastete er ihren Hinterkopf ab. Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich abrupt, als seine Finger unter den Rand ihrer … ihrer Perücke glitten? Sie trägt eine Perücke! Aber wieso denn? Er suchte hektisch nach den richtigen Worten, erkannte aber fast augenblicklich, dass alles, was er hätte sagen können, sie nur noch schlimmer in Verlegenheit gebracht hätte. Also schwieg er. Er konnte später immer noch nachfragen. »Machen Sie die Augen auf. Ich will Ihre Pupillen sehen.«
Sie gehorchte und sah hierhin und dorthin, nur nicht zu ihm. »Sie fragen sich wahrscheinlich …«
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Ihre Pupillen wirken langsam wieder ganz normal, und Sie klingen auch nicht mehr so betrunken. Allerdings haben Sie eine böse Platzwunde.« Er sah, wie sie schluckte. »Wahrscheinlich haben Sie sich den Schädel an der Stufe aufgeschlagen, und selbst kleine Kopfwunden bluten wie verrückt. Ich glaube zwar nicht, dass es schlimm ist, aber Sie müssen versorgt werden.«
Er musste dringend etwas tun, um ihr die Verlegenheit zu nehmen. Warum auch immer sie eine Perücke trug, es änderte nichts an der Tatsache, dass sie die schönste, die faszinierendste Frau war, der er je begegnet war. Auch das würde er ihr irgendwann sagen. Aber jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt dazu.
»Stevie schnauzt Maynard an«, sagte er, um sie abzulenken. »Es scheint also nicht allzu schlimm zu sein.« Daphne bedachte ihn mit einem dankbaren Blick, der ihn ärgerte. Was hatte sie denn geglaubt? Dass ich ihr das blöde Ding vom Kopf reiße und hochhalte, damit es jeder sieht? Aber sie war verletzt, also nahm er sich zusammen. »Maynard bindet die Wunde ab und tut alles, was ohne Verbandskasten möglich ist. Der Mann hat Ahnung von Erster Hilfe, so viel steht fest.«
»Clay hat seinen Teil an Schusswunden gesehen«, erklärte Daphne. »Er war in Somalia.«
»Mir hat er nur erzählt, dass er im Corps war.« Der Bursche stieg in Josephs Achtung immer weiter. Nun, da feststand, dass Maynard nicht Daphnes Liebhaber war, war Joseph mit seiner Sympathie gerne großzügig.
Doch seine Erleichterung darüber, dass Clay Maynard kein Rivale und Daphne nicht ernsthaft verletzt war, währte nur einen kurzen Moment. Denn nun fiel ihm wieder ein, warum er ursprünglich hergekommen war. Gleich muss ich ihr sagen, dass ihr Sohn verschwunden ist und sein Bodyguard ermordet wurde, und das wird sie umbringen.
Seine Ohren fingen das schwache Geräusch von Sirenen auf, das rasch lauter wurde. »Die Krankenwagen kommen«, sagte er und blickte zur Straße hinüber. »J.D. nimmt sie in Empfang.« Er würde dafür sorgen, dass sie in einem der Wagen versorgt wurde, damit sie vor neugierigen Blicken geschützt war. Dann würde er es ihr sagen.
Sie zog die Brauen zusammen. »J.D. war nirgendwo zu sehen, als Stevie angeschossen wurde. Wo war er denn?«
Joseph deutete auf einen Mann, der bäuchlings auf der Straße lag und die Hände im Rücken mit Handschellen zusammengebunden hatte. »J.D. hat den Burschen da gerade niedergerungen, als wir eintrafen.«
»Helfen Sie mir bitte auf.«
Joseph stützte sie, bis sie sich in der Senkrechten befand, hielt aber eine Hand an ihrem Rücken, falls ihr erneut schwindelig werden sollte.
Überrascht schnappte Daphne nach Luft. »Das ist Reggies Vater!«
»Er hatte eine Glock genau wie die, die das Mädchen in der Hand hielt, außerdem ein Sturmgewehr. Reines Glück, dass J.D. ihn frühzeitig gesehen hat, sonst hätte er weiterschießen können, nachdem wir das Mädchen außer Gefecht gesetzt hatten. Und dann wären wir vermutlich alle tot.«
»Jetzt weiß ich, warum er direkt nach dem Urteil das Gericht verlassen hat. Er hat das alles geplant.«
Joseph dachte an den toten Mann in der Gasse, an Ford und Kimberly . Unter anderem. »Mir wäre es lieber, wenn wir Sie hier wegschaffen könnten«, sagte er. »Wer weiß, was für Überraschungen noch auf uns warten.«
Er zupfte an ihrem Ärmel, aber sie reagierte nicht. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete sie den Tatort, ohne zu ahnen, dass ihr das Schlimmste noch bevorstand.
»Oh, mein Gott«, flüsterte sie und wich unwillkürlich zurück, als sie die tote Schützin sah.
In den letzten Sekunden war ziemlich wild
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