Todesküsse
deren Magie für ihre Zwecke auszunutzen. Es gab ein gewisses Ritual, das unbedingt eingehalten werden mußte, wollte Kara die Magie der Steine aktivieren. Sie schaffte es nicht nur durch ihre Gedankenkraft, sie mußte durch einen Gegenstand verstärkt werden, der als Katalysator zwischen sie und die Steine geschaltet worden war.
Das Schwert mit der goldenen Klinge!
Mit der rechten Hand zog Kara die Waffe vorsichtig aus der Scheide. Sie lauschte dem leisen Schleifen, das bei dieser Bewegung entstand. Obwohl die dünnen Dunstschwaden durch das Quadrat zogen, nahmen sie dem Schwert nichts von seinem Glanz.
Die Klinge leuchtete und strahlte nicht, dennoch besaß sie einen Schein, der von innen kam, als wäre sie damals, bei ihrer Entstehung, geweiht worden.
Delios, Karas Vater, hatte Nathan, dem Schmied, diesen Auftrag gegeben, und er wiederum hatte das Schwert so geschaffen, wie Kara es nun in der Rechten hielt.
Sie senkte die Klinge und drückte sie mit der Spitze genau in den Schnittpunkt der beiden Linien.
Auch die zweite Hand legte sie auf den Griff. Eine Haltung, die sie einnehmen mußte, um die volle Kraft aus der Klinge und den Steinen hervorzuholen.
Kara gehörte zu den Menschen, die es schafften, sich zu konzentrieren. Besonders dann, wenn sie etwas so Wichtiges vorhatte wie in diesen Augenblicken.
Allmählich schlossen sich ihre Augen zu Schlitzen. Es war das äußerliche Zeichen für den Beginn der magischen Trance. Ihre Lippen waren nicht geschlossen, noch drangen leise Worte aus ihrem Mund, die ausgesprochenen Gedanken, die in ihr steckten.
Sie redete mit ihrem toten Vater und hoffte, daß dessen Geist ihr die Kraft gab, die Beschwörung bis zu dem Ende durchzuführen, das sie sich herbeisehnte.
Kara stand in der normalen Welt. Noch nahm sie das Bild der Steine in sich auf, noch zeigten sie ihre graue Naturfarbe, aber auf dem Boden tat sich etwas.
Die beiden Diagonalen spürten das andere zuerst.
Waren sie nur mehr schwach zu erkennen, so änderten sie ihre Farbe. Von innen her glühten sie auf und nahmen ein tiefes Rot an. Es lief weiter, es wanderte, es zeigte an wie ein mit roter Kontrollflüssigkeit gefülltes Thermometer.
Und die Steine gaben die »Antwort«.
Sie glühten auf. In ihrem Innern entzündete sich ein Feuer ohne Flamme. Ein düsteres Rot, das an den Enden der Steine begann und allmählich in die Höhe stieg.
Das graue Gestein verschwand, die Steine wirkten so, als wollten sie anfangen zu brennen, aber das kalte Feuer hielt sich in den Grenzen, es schlug nicht aus ihnen hervor.
Dann standen sie in Flammen!
Kara spürte den Anprall der fremden Magie, die durch das Schwert in ihr Innerstes geleitet wurde. Sie bekam den Eindruck, als würde sie sich den anderen Dingen gegenüber öffnen. Sie war plötzlich frei, sie schwebte, ihr Blick tauchte tiefein in fremde Dimensionen und Welten. Sie sah andere Dinge, die Zeiten verwischten. Was war Vergangenheit, was Gegenwart und Zukunft?
Kara hätte es nie beantworten können. Sie hatte sich voll und ganz dem Spiel der Kräfte hingegeben, stand zwar noch im Quadrat der Steine, schwebte aber mit ihrer Seele, dem zweiten Ich, längst in den anderen Dimensionen.
Noch suchte sie den Weg.
Es war schwer, denn ihr Geist machte die Zeit der Irrungen und Wirrungen durch. Sie hatte sich noch nicht für ein Ziel entscheiden können, irgendwo befand sich das, was sie suchte, nur war es für sie noch nicht greifbar.
Hatte sie den falschen Weg gewählt?
Kara konzentrierte sich sehr stark auf das, was sie erfahren wollte. Es gelang ihr auch, die Gedanken zu leiten und so zu kanalisieren, daß sie sich an einem Punkt festklammerten. Das war die schreckliche Sphinx!
Um zu erfahren, was in der Gegenwart ablief, mußte Kara tief in die Vergangenheit tauchen, was sie mit all ihr zur Verfügung stehenden Kräften versuchte.
In der Vergangenheit oder auf dem Weg zu ihr war die Lösung zu finden. Der Richtungsweiser für die Gegenwart, denn jemand mußte die Rolle der Sphinx übernommen haben.
Aber wer?
Atlantis - ihr Vater Delios — die vier von ihm ausgeschickten Vertrauten - plötzlich sah sie alles vor sich. Das waren Bilder, die auf einmal entstanden und sich auch nicht auslöschen ließen. Wie ein Film liefen die Szenen vor ihrem geistigen Auge ab. Ein Filmstreifen, der sich allmählich klärte. Nicht nur die vier Gesandten waren zu sehen, auch ein Schiff, das in einer Bucht ankerte.
An Bord stand etwas. Eine gefährliche Statue — die
Weitere Kostenlose Bücher