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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Sommerabend damit, das Thema zu diskutieren, während sie die Mücken auf ihren Arm totsqhla-gen und das improvisierte Baseballspiel beobachten, das auf dem Parkplatz einer Umzugsfirma stattfindet, welche dem Baubüro gegenüberliegt. In seinem halbwachen Traum konnte er immer noch den harten Rinnstein unter seinem damals kleinen, mageren Po spüren, als sitze er im Augenblick tatsächlich darauf.
    Im darauffolgenden Jahr hatte er Jimmybeim Cowboyspielen den Lauf seines Luftgewehrs an den Mund geschlagen, und seine Oberlippe mußte mit vier Stichen genäht werden. Ein Jahr danach sind sie dann weggezogen. Er hatte Jimmy nicht mit Absicht geschlagen; es war ein Unfall gewesen. Da war er ganz sicher, obwohl er inzwischen gewußt hatte, daß Jimmy recht gehabt hatte, denn auch er hatte seine Mutter inzwischen nackt gesehen - was ebenfalls keine Absicht, sondern ein Unfall gewesen war. Es stimmte. Sie waren da unten haarig und aufgeschlitzt.
    Seh, seh, das ist kein Tiger, mein Liebling. Das ist nur dein Teddybär, siehst du?... Cockles and mussels alive, alive-o... Mammi hat ihren kleinen Jungen ganz doll lieb ...seh... schlaf jetzt wieder ein...
    »Warnung! Warnung für 47!«
    Ein Ellenbogen stieß ihm grob in die Rippen. »Du bist gemeint, mein Junge. Wach auf.« McVries lächelte ihn an.
    »Wie spät ist es?« fragte Garraty mit belegter Stimme.
    »Fünf nach halb neun.«
    »Aber ich habe doch -«
    »Stundenlang geschlafen«, lachte McVries. »Ich kenne das Gefühl.«
    »Aber es hat sich genauso angefühlt.«
    »Es ist dein Bewußtsein«, erklärte McVries. »Der gute, alte Fluchtmechanismus. Wünschtest du nicht, daß deine Füße das ebenfalls könnten?«
    »Ich benutze dafür immer DIAL«, rief Pearson und verzog das Gesicht zu einer idiotischen Grimasse. »Wünschtet ihr nicht, daß alle Leute das täten?«
    Garraty dachte, daß Erinnerungen Ähnlichkeit mit in den Sand gezogenen Linien hätten. Je weiter man zurücksah, desto verschwommener und undeutlicher wurden sie, bis zum Schluß nur der glatte Sand übrigblieb und das Nichts, das schwarze Loch, aus dem man gekommen war. In gewisser Weise waren die Erinnerungen wie diese Straße. Hier, direkt unter seinen Füßen war sie hart, handfest und greifbar, aber die Straße am Anfang, die Neun-Uhr-vormittags-Straße, lag weit zurück und war bedeutungslos geworden.
    Jetzt hatten sie fast fünfzig Meilen hinter sich. Von vorn erreichte sie die Nachricht, daß der Major am Fünfzigmeilen-punkt mit seinem Jeep vorbeikommen würde, um nach ihnen zu sehen und eine kleine Ansprache zu halten. Garraty vermutete, daß er ihnen wieder einen Haufen Mist erzählen würde.
    Sie stiegen eine lange, stelle Anhöhe hinauf, und Garraty war versucht, seine Jacke wieder auszuziehen. Er tat es aber nicht, sondern öffnete nur den Reißverschluß und drehte sich um, um eine Minute lang rückwärts zu gehen. Die Lichter von Caribou schimmerten am Horizont, und er mußte an Lots Weib denken, das zur Salzsäule erstarrt war, weil es sich umgedreht hatte.
    »Warnung! Warnung für Nummer 47! Ihre zweite Warnung, 47!«
    Er brauchte eine Weile, um sich darüber klarzuwerden, daß er gemeint war. Die zweite Warnung innerhalb von zehn Minuten. Sofort bekam er Angst. Wie war das mit dem namenlosen Jungen, der sterben mußte, weil er einmal zuviel zu langsam geworden war? Machte er jetzt etwa dasselbe?
    Er drehte sich wieder um. McVries, Harkness, Baker und Olson starrten ihn an. Olson musterte ihn besonders unverhohlen. Trotz der Dunkelheit konnte er die intensive Spannung auf seinem Gesicht erkennen. Olson hatte schon sechs Geher überdauert und würde ihn nur allzugern zum glücklichen Siebten machen. Er wollte, daß Garraty starb.
    »Habe ich eine grüne Nase?« fragte Garraty ihn zornig.
    »Oh, nein«, antwortete Olson und senkte die Augen. »Natürlich nicht.«
    Garraty ging etwas forscher und ließ die Arme aggressiv an den Seiten schwingen. Jetzt war es zwanzig vor neun; um zwanzig vor elf - also acht Meilen weiter - würde er sich wieder freigelaufen haben. Er spürte einen hysterischen Zwang, es laut zu proklamieren: er würde es schon schaffen, sie brauchten nicht über ihn zu tuscheln, sie würden es nicht erleben, daß er vor ihren Augen erschossen würde -jedenfalls jetzt noch nicht.
    Der Bodennebel breitete sich in dünnen Schwaden, die wie Rauchfäden wirkten, über der Straße aus. Die dunklen Gestalten der Jungen bewegten sich wie im Meer treibende Inseln durch ihn hindurch. Am

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