Todesnacht: Thriller (German Edition)
Beifahrersitz.
In Wesley bog sie in südliche Richtung auf die Route 192 ab, vorbei an Northfield und dem Bog Lake mit seinem vertrauten Hafenbecken und dem Anleger. Dort, wo der atlantische Lachs einst im Überfluss gediehen war und die Seeforelle dies bis heute tat, hatte John Savage seine drei Kinder eines nach dem anderen, immer schön der Reihe nach, in die Kunst des Angelns eingeweiht. Gelegentlich hatte sogar etwas angebissen. Sie folgte der Straße weiter bis hinunter an die Küste nach Machias.
Ob Emmett Ganzer die Ermittlungen leitete? Und wie würde er wohl reagieren, wenn sie sich freiwillig meldete, um ihn zu unterstützen? Keine Strafverfolgungsbehörde konnte es sich erlauben, auf zusätzliche Erfahrung zu verzichten, und eine Zusammenarbeit mit der State Police würde ihr zahlreiche Möglichkeiten eröffnen, die sie als Einzelkämpferin nicht hatte. Allerdings … Gut kannte sie Ganzer nicht. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit sie an der Maine Criminal Justice Academy ihren Abschluss gemacht hatten. Aber sie konnte sich noch gut daran erinnern, dass Emmett jeden verabscheut hatte, der eine Frage vor ihm beantworten konnte. Besonders wenn es sich dabei um eine Frau – und erst recht wenn es sich hierbei um eine Frau namens Savage gehandelt hatte.
Sie durchquerte das Städtchen Machias und fuhr auf der Port Road ins weiter südlich gelegene Dorf Machiasport bis zum State Park. Im Licht des kühlen Sommermorgens sah sie die blinkenden Lichter mehrerer Streifenwagen schon aus Hunderten Metern Entfernung. Als sie näher kam, zählte sie drei Wagen der Maine State Police, zwei des Sheriffbüros des Washington County, ein paar zivile MSP -Fahrzeuge sowie den weißen Subaru Outback ihres Vaters.
Ein junger Polizist winkte sie vor der Absperrung an den Straßenrand. Sie hatten den gesamten State Park bis zu der Stelle, wo Emily vermutlich überfahren worden war, mit gelbem Absperrband abgeriegelt. » Tut mir leid, Madam « , sagte er. » Ich fürchte, Sie können hier nicht stehen bleiben. Sie müssen entweder wieder umkehren oder sich dort hinten auf den Standstreifen stellen. «
Das Plastikschild an seiner Uniform wies ihn als J. W. Willett aus.
» Trooper Willett? «
» Richtig. «
Maggie streckte ihm ihre Dienstmarke entgegen und klappte den Ausweis auf. » Detective Margaret Savage, Portland Police Department. «
» Sie sind ganz schön weit weg von zu Hause, finden Sie nicht? «
» Sehen Sie den langen Lulatsch dort drüben? Ich gehöre zu ihm. «
» Sheriff Savage? « Er warf einen erneuten Blick auf ihren Ausweis. » Sind Sie seine Tochter? «
» Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war ich’s noch. «
» Aha. « Der Beamte nickte. » Jetzt sehe ich die Ähnlichkeit. « Er sprach in sein Schultermikrofon, und irgendjemand am anderen Ende gestattete ihm, sie hindurchzulassen.
Maggie stellte den Wagen ab, duckte sich unter dem Absperrband hindurch und ging in Richtung Park. Dort wo die Kriminaltechniker die Stelle gekennzeichnet hatten, an der Emily mit dem Wagen des Flüchtenden zusammengeprallt war, blieb sie stehen. Hatte Em versucht, den Killer aufzuhalten, als er sie überfahren hatte? Oder hatte sie dem sterbenden Mädchen helfen wollen? Maggie wusste, dass Emilys erster Impuls gewesen sein musste, ein Leben zu retten.
Es gab eigentlich nicht mehr zu sehen als ein paar Reifenspuren, dort wo der Wagen kurz ins Schleudern geraten war. Sonst nichts – keine Lacksplitter, kein Blut, keine Glasscherben. Falls es hier irgendetwas in der Art gegeben hatte, dann hatten die Kriminaltechniker es bereits aufgenommen und eingesammelt, um es im Labor untersuchen zu lassen.
Sie ging weiter in Richtung Park. John Savage löste sich aus einem Grüppchen aus mehreren Polizisten und kam ihr entgegen. Er war schlank, einen Meter neunzig groß, mit grauem Schnurrbart und wettergegerbtem Gesicht. Savage wirkte eher wie ein Sheriff aus einem John-Ford-Western als einer aus einem ländlichen Bezirk Maines. Sogar seine Waffe sah aus wie die von Wyatt Earp. Sie war sein ganzer Stolz: ein langläufiger Colt .45 Peacemaker aus dem Jahr 1873, den er an der Hüfte befestigt hatte. Nur das Pferd und der breitkrempige Stetson fehlten, um das Bild zu vervollständigen. Wobei der Hut bestimmt irgendwo zu Hause herumlag. Polly Vier, ein blonder Labrador, der John überallhin begleitete, sprang aus der offenen Heckklappe des Subaru und trottete neben ihm her. John wurde immer wieder gefragt, was das »
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