Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
in Julians Gesicht zeigte ihm, wie fern dieser Tag noch war.
„Reiser erzählte mir, dass der tote Junge ein Freund von dir war. Stimmt das?“, versuchte er das Gespräch in Gang zu bringen.
„Ja. Die Geschichte hat mich voll umgehauen.“ Der Ausdruck seines Gesichtes zeigte tiefe Betroffenheit. „Ich will bei den Ermittlungen dabei sein“, sagte er bestimmt und schien es tatsächlich ernst zu meinen.
„Jule, das ist noch eine Nummer zu groß für dich.“ Simon schüttelte den Kopf. „Wir reden hier von Mord, Jule, das schlimmste Verbrechen überhaupt.“
„Das hier war ein Kumpel von mir, ich will wissen, wer das getan hat und ich will helfen, den Mörder zu fassen.“ Entschlossenheit stand in Julians Gesicht, und Simon ahnte, dass er auf eigene Faust ermitteln würde, deshalb beschloss er, ihn unter seiner Kontrolle an den Ermittlungen teilhaben zu lassen.
„Okay, Jule, ich werde sehen, was ich machen kann, allerdings tust du das, was ich und Reiser dir sagen. Keine Alleingänge, haben wir uns verstanden?“
Julian nickte nur wortlos und marschierte Richtung Parkdeck, ohne sich weiter um seinen Vater zu kümmern.
Simon seufzte und ergab sich seinem Schicksal. Vielleicht ist es genau das, was wir brauchen. Wir müssen uns erst einmal richtig kennenlernen.
„Also gut, als erstes fahren wir nach Hause, ich brauche dringend eine Dusche und dann rufe ich Reiser an. Und Julian, tu mir einen Gefallen“, sagte Simon, als sie ins Auto stiegen, „du weißt, wenn wir zusammenarbeiten wollen, bedeutet das, dass ich das Sagen habe und …“, er machte eine kleine Pause, „… wir müssen miteinander kommunizieren, verstehst du das?“
Er sah förmlich, wie die Gedanken in Julians Kopf rasten und wie er mit sich kämpfte. Simon wusste, dass er viel riskierte und hoch pokerte, doch er hoffte, dass sich der Einsatz lohnen würde.
Keiner der beiden senkte den Blick. Sie waren beide auf Augenhöhe und sie starrten sich sekundenlang abwartend an. Dann, völlig unerwartet für Simon, lächelte Julian und sagte in einem fast freundlichen Ton:
„He Dad, wie war eigentlich dein Trip? Wirst du, wenn der Fall gelöst ist, deinen Urlaub in Good old England fortsetzen? Aber Mum wolltest du nicht besuchen, oder?“
Simon konnte seine Überraschung nicht verbergen. Er hatte Julian nicht in seine Pläne eingeweiht, hatte ihm nur erzählt, dass er ein paar Freunde von früher besuchen wollte, mehr nicht.
Julian hatte nichts weiter dazu gesagt, trotzdem sich allem Anschein nach so seine Gedanken gemacht.
„Sie verdient es nicht, dass du ihr nachweinst, Dad.“ Bitterkeit floss in Julians Stimme mit. „Ich tue es ja auch nicht, sie gehört nicht mehr zu unserem Leben, sie ist jetzt reich und berühmt.“
D ie Sonne schien grell durch die Fenster des Fitness-Studios und offenbarte den ganzen Dreck und die Schmiere, die der viele Regen an den Scheiben hinterlassen hatte. Die vergangene Nacht hatte es in Strömen geregnet, Pfützen säumten die Straßen und die Luft fühlte sich feucht und drückend an. Das Studio BFit lag in einem kleinen Gewerbegebiet von Heiligenburg umgeben von hässlichen dreigeschossigen Wohnhäusern, die unmittelbar an den Gierather Wald grenzten.
Dieter Hoffstedt war besorgt. Als er seine Sorgen seinem Bruder Rainer mitteilte, winkte dieser nur genervt ab.
„Mensch, Dieter, du siehst wieder Gespenster, hier läuft nichts. Rein gar nichts. Das würde ich schon mitbekommen. Mach dir mal nicht so viele Gedanken.“ Rainer ließ ihn im Büro im hinteren Teil des Fitness-Studios stehen und verschwand im Trainingsbereich. Sein Bruder dachte nur ans Geld. Sie konnten es sich nicht leisten, wertvolle Mitglieder zu verlieren.
„Du weißt, dass wir die Jungs rausschmeißen müssen, wenn sie diesen Dreck nehmen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass hier was läuft“, hatte er zu seinem Bruder gesagt, allerdings hatte dieser nichts davon wissen wollen und nur gemeint:
„Sie trainieren hart, vielleicht nehmen einige Eiweißpulver, da ist wirklich nichts dabei. Und wenn es Probleme gäbe, die lösen sich meist von alleine.“
Doch, verdammt noch mal, Dieter wusste, dass den Jungs das irgendwann nicht mehr reichen würde. Früher oder später werden sie ungeduldig, weil ihre Muskeln nicht mehr weiter wachsen, und dann probieren sie es aus. Ja, er wusste, wovon er sprach, weil er diesen Unsinn selber praktiziert hatte, damals in den 80er-Jahren in seinem alten Viertel Köln Kalk, wo er und sein
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