Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
standhalten. Verzweifelt hielt sie sich die Nase zu und es gelang ihr nur mit größter Anstrengung, das Geräusch in ihrer Hand leicht abzudämpfen. „Jule, ich bekomme keine Luft mehr.“ Ihre Stimme klang verzweifelt. Julian nahm ihre Hand und drückte sie. Mit der anderen Hand schaltete er sein Telefon ein. Das Display leuchtete in der Dunkelheit hell auf.
„Verdammt, ich habe kein Netz.“ Ungläubig starrte er auf sein Handy. „Was sollen wir denn jetzt machen?“
Annabell schniefte, sie war kurz davor, ein zweites Mal zu niesen.
„Was hast du denn für ein komisches Ding, zeig mal her?“ Sie nahm ihm das Handy ab. „Hier, nimm meins, damit sollte es klappen.“ Sie reichte ihm ihr Smartphone und Julian wählte die Nummer seines Vaters. „Mach schnell, Jule, ich halt das hier drinnen nicht mehr lange aus. Die Hitze und der Geruch sind unerträglich.“
Auch Julian schwitzte stark. Ob es die Restwärme der Sauna oder die Aufregung war, konnte er nicht mehr unterscheiden. Er vertippte sich. Oh je, ich weiß die Nummer nicht mehr , dachte er bestürzt und versuchte es ein zweites Mal. Sein Nacken schmerzte aufgrund der für seine Größe ziemlich unbequemen Sitzhaltung und er wusste, dass er es in dieser Position nicht mehr lange aushalten würde. Es klingelte, doch nach ein paar Sekunden sprang die Mailbox an: „… bitte hinterlassen Sie nach dem Ton eine Nachricht.“
„Daddy, wo bist du? Wir sitzen hier fest, im Fitness-Studio. Schick einen Streifenwagen vorbei. Hoffstedt versucht gerade mit einem anderen Mann, die Drogen wegzuschaffen.“ Julian sprach abgehackt, seine Stimme krächzte vor Aufregung. „Wir sind in der Sauna, mach schnell …“ Seine Stimme brach ab. Sie hörten es zuerst. Ganz leise. Das Geräusch einer Tür, die sich öffnet. Erst dann sahen sie das Licht. Es fiel durch das kleine Fenster der Sauna. Instinktiv verbarg Julian das Handy in seiner Tasche. Beide drückten sich so weit wie möglich in eine Ecke. Ihr Atem ging flach. Ihre Knochen schmerzten. Wie in Hypnose schauten sie hoch.
Bitte, verschwindet einfach , dachte Julian und konnte sein Herz schlagen hören.
Er hörte Annabell leise aufstöhnen, als sich die Tür ganz sachte öffnete.
„ E indeutig eine Überdosis eines anabolen Steroides im Blut. Wir konnten die Substanz in einer hohen Konzentration feststellen.“
Maike hatte sich verändert. Rein äußerlich war sie kaum wiederzuerkennen. Sie trug ein helles Sommerkleid, an ihren Füßen leichte Sandalen und auf ihrer Nase rankte eine überdimensionale Sonnenbrille. Ihre braunen Locken hatte sie zu einem Zopf gebunden. Alles an ihr wirkte frisch und luftig. Fasziniert blickte Reiser auf ihren Mund. Dieser wunderschöne Mund, der Worte und Sätze formulierte, die so gar nicht zu dieser bezaubernden Person passten.
„Reiser, hörst du mir überhaupt zu?“
Maike nahm die Brille ab. Die Hitze und Schwüle des Tages und das zu erwartende Gewitter hatten sie davon abgehalten, einen der Außentische zu wählen. Stattdessen saßen sie nun in einer gemütlichen kleinen Ecke des Cafés. Ganz im Stil der 50er-Jahre eingerichtet, vermittelte es Reiser das Gefühl einer Zeitreise. Er bestellte für sie beide ein kühles Kölsch.
„Doch, doch, natürlich. Konntet ihr denn feststellen, ob er sich das Zeug selbst gespritzt oder ob jemand nachgeholfen hat?“ Reiser bemühte sich um Aufmerksamkeit, was ihm, das musste er sich eingestehen, sehr schwerfiel.
„Was wir festgestellt haben, sind mehrere Einstiche am Oberschenkel. Er hat sich die Droge also regelmäßig gespritzt.“ Maike blätterte in den Unterlagen, fand das Foto und legte es auf den Tisch. „Schau hier, der Tote hatte an einer Stelle des Oberschenkels einen großen blauen Bluterguss und in der Mitte war es rot und geschwollen, was zu der Annahme führt, dass hier jemand die Nadel regelrecht hineingestoßen hat. Denn richtig angewandt – und vorausgesetzt, es werden die richtigen Nadeln benutzt –, dürfte es bei einer intramuskulären Injektion zu keinerlei Verletzungen beziehungsweise Blutergüssen kommen.“
Reiser nahm einen großen Schluck aus seinem Bierglas und wischte sich anschließend den Mund mit dem Handrücken ab.
„Hm, bei der Hitze schmeckt das Kölsch doppelt so gut, puh, hatte ich einen Durst.“ Er grinste Maike an. „Okay, machen wir weiter.“
„Alle anderen Einstiche am Oberschenkel wurden bedeutend geschickter ausgeführt“, fuhr Maike fort.
„Das heißt also im
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