Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
hat freie Fahrt. Er wird sich nicht mit einem Mord belasten.“
„Das hat er doch wahrscheinlich schon. Hast du die zwei Jungs vergessen? Aber ich hoffe, du hast recht. Wenn Julian etwas passiert, ich wüsste nicht, wie ich weitermachen könnte. Jetzt, wo ich ihn gerade wiedergefunden habe.“
„Sie sind soeben in die Straße zum Flughafen eingebogen.“ Sobald das Auto der Geiselnehmer abbog, drückte Reiser auf das Gaspedal, dadurch wurde der Vorsprung immer ein wenig kleiner.
Die gerade Strecke, die kilometerlang durch den Königsforst führte, verführte viele der Pendler zum Rasen, manch einer hatte hier schon den ein oder anderen Strafzettel ergattert. So war es ihnen, trotz des einsetzenden Berufsverkehrs möglich, auch ohne Martinshorn schnell vorwärts zu kommen. Geschickt und zügig überholte Reiser jedoch diejenigen, die seiner Meinung nach beim Autofahren drohten einzuschlafen. Reiser setzte gerade ein weiteres Mal zum Überholen an, um an einem dahin kriechenden knallroten Kleinwagen vorbeizukommen, als Simon lautstark die Luft einzog. Stürmisch zeigte er auf eine Person, die noch etwa 200 Meter entfernt in ihre Richtung am Straßenrand entlanglief. Für ihn war es unmöglich zu erkennen, um welche Person es sich handelte, doch Simon wusste es instinktiv. Er öffnete das Fenster und steckte seinen Kopf hinaus. Warme Luft strömte in das Auto. Der Wind zerzauste sein dunkles Haar.
„Reiser!“, schrie er mit zittriger Stimme. Reiser erkannte grenzenlose Hoffnung in dieser Stimme. „Mein Gott, schau doch nur. Es ist Julian!“
Sie näherten sich dem blondhaarigen Jungen, der gehetzt und sich ängstlich nach allen Seiten umschauend, als fühle er sich verfolgt, an der Straßenseite auf sie zurannte. Gelegentlich rutschte er auf dem Gras aus, strauchelte, fiel aber nicht. Sie sahen die Erschöpfung in seinem erhitzten Gesicht, als sie wenige Meter vor ihm mit eingeschalteter Warnblinkanlage abbremsten. Sofort sah Reiser die Furcht in Julians Augen, sein Zögern, seinen Instinkt, sich umzudrehen, um den Verfolgern zu entkommen, denn er konnte ja nicht wissen, dass sein Vater gekommen und er bald in Sicherheit war.
Simon riss hektisch die Beifahrertür auf und stolperte aus dem Auto, bevor es überhaupt zum Stehen gekommen war. Innerhalb Sekunden veränderte sich Julians Mimik. In diesem Augenblick huschte ein zaghaftes Lächeln über sein Gesicht. Die schweißnassen Haare hingen verklebt in seiner Stirn, doch seine Augen glänzten vor Erleichterung.
„Dad.“ Zaghaft gingen Vater und Sohn aufeinander zu. Sie sahen einander an, berührten sich jedoch nicht.
„Gott sei Dank, Julian, ist dir nichts passiert.“
„Ich konnte ihnen nicht helfen“, erwiderte Julian niedergeschlagen und sie wussten, dass er damit Viktoria und Annabell Stein meinte.
„Simon, wir müssen weiter. Steig hinten ein, Junge. Wir sind froh, dass du da bist, aber wir wollen die Dreckschweine ja schließlich auch noch erwischen.“ Reiser hatte die ganze Zeit den Bildschirm im Auge behalten und bemerkt, dass das Auto der Geiselnehmer kurz vor dem Flughafen angehalten, sich aber nach wenigen Minuten zu seiner Erleichterung weiterbewegt hatte. Sie haben den Peilsender noch nicht gefunden , stellte Reiser beruhigt fest, und womöglich irgendwo aus dem Fenster geworfen. Nein, die Reise geht weiter.
„Julian, haben sie irgendwas gesagt, wo sie vielleicht hinwollten?“
„Nein, nichts.“ Julian versuchte sich zu konzentrieren, was ihm sichtlich schwerfiel. „Er, dieser Mario, sagte nur immerzu: Fahr Richtung Flughafen. Sonst nichts.“
„Vielleicht wartet dort ein Flugzeug auf ihn, wundern würde mich das nicht.“ Über Funk gab Simon den Befehl, alle Privatflugzeuge auf dem Kölner Flughafen zu überprüfen. Doch er wusste, das würde einige Zeit in Anspruch nehmen, sie mussten an dem Auto dran bleiben. „Postieren Sie Scharfschützen, vielleicht gelingt uns ja der Zugriff, wenn sie das Fahrzeug verlassen.“ Und er fügte hinzu: „Irgendwann müssen sie es ja mal verlassen.“
Simon drehte sich zu Julian um, der blass auf dem Rücksitz Platz genommen hatte. Er nahm seine Hand und drückte sie aufmunternd, doch Julian schien die Berührung unangenehm zu sein. Er zog seine Hand zurück und starrte aus dem Fenster. Dann sagte er mit leiser Stimme:
„Wenn ihr etwas passiert, bin ich schuld. Wären wir nicht auf die absurde Idee gekommen, Detektiv zu spielen, würde sie noch sicher zuhause sein und ihren Tag
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