TODESSAAT
wie die Wamphyri mich schließlich in die Eislande verbannten. Die Wamphyri schickten mich in die Verbannung, weil ich nach der absoluten Macht strebte. Nun ja, möglicherweise hatte ich das an diesem anderen Ort, von dem ich verbannt und auf die Erde gestürzt wurde, auch versucht. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eines: Verglichen mit jenem anderen Ort, war diese Welt hier die Hölle!«
»Jemand hat Euch zur Strafe hierher geschickt? Um ein Leben in der Hölle zu führen?«
»Oder in einer Welt, die durch mein Wirken zur Hölle werden konnte. Es war eine Frage des Willens: Alles wäre möglich gewesen, wenn ich es nur gewollt beziehungsweise zugelassen hätte. Ich sage es noch einmal: Ich bin hierher gekommen, weil ich einen eigenen Willen hatte und hochmütig war. Zumindest kommt es mir in der Erinnerung so vor.«
»Dann erinnert Ihr Euch also gar nicht an den Sturz? Nur daran, dass Ihr auf einmal hier wart, in den Vampirsümpfen?«
»Ganz in ihrer Nähe, ja. Dort ist mein Vampir in mich eingedrungen.«
Für Letzteres interessierte Shaithis sich brennend. »Früher«, sagte er grüblerisch, »haben wir unseren getöteten Feinden mitunter den noch lebenden Vampir herausgerissen, um ihn zu verzehren. Lange vor dem, was mit Fess Ferenc und Arkis Leprasohn geschehen ist. Wir wissen, wie diese Parasiten aussehen: Voll entwickelt sind sie mit Widerhaken bewehrte Egel, die in einem Menschen Unterschlupf suchen und dann seine Gedanken und Triebe formen. Über einen langen Zeitraum hinweg können sie derart mit manchen Wirten verschmelzen, dass sie untrennbar miteinander verbunden sind.«
»Wie es bei mir der Fall ist«, antwortete Shaitan. »Von meinem früheren Ich ist in der Tat herzlich wenig übrig geblieben, während mein Vampir zu dem herangewachsen ist, was du hier vor dir siehst.«
»Genau«, sagte Shaithis. »Als Resultat der lang andauernden Metamorphose seid Ihr, oder vielmehr Euer Vampir, heute ungeheuerlich. Aber wie hat er damals ausgesehen? Kam er als Ei zu Euch? Blieb das Wesen, aus dem er hervorgegangen ist, in den Sümpfen? Oder war der Parasit bereits ausgewachsen, als er Euch befallen hat? Hat er Euch überrascht und ist dann an einem Stück in Euch geschlüpft?«
»Er ist aus dem Sumpf gekommen«, wiederholte Shaitan. »So viel weiß ich noch ... Wie, vermag ich nicht zu sagen.«
Das Problem ließ Shaithis (und seinem Ahnherrn gleichermaßen) keine Ruhe. Doch zumindest bei jener Gelegenheit waren sie um weitere Fragen beziehungsweise Antworten verlegen.
Einige Nordlicht-Perioden später jedoch kam Shaitan eilig und einigermaßen erregt zu Shaithis in die Werkstatt. In einer Ecke verwandte dieser gerade die größte Sorgfalt darauf, einen Krieger zu konstruieren, der die Anerkennung seines Ahnherrn finden würde, als Shaitan wie ein düsterer Schatten vor ihm auftauchte.
»Ich hab’s!«, sagte Shaitan. »Ich weiß, wie es geschehen ist. In meinem früheren Dasein, von dem ich dir berichtet habe, diente ich einem oder mehreren Anderen. Aber ich strebte danach, mein eigener Herr zu sein. Als Lohn für meine Hochmut – das heißt für meine geistige Regsamkeit und mein strahlendes Äußeres, dessen ich mir vielleicht ein bisschen zu bewusst war – und meine Mühen warfen sie mich hinaus und nahmen mir die Stellung, die mir in jener Gesellschaft von Rechts wegen zustand. Oh, sie vernichteten mich nicht, sie setzten mir kein Ende. Aber sie benutzten mich! Sie machten mich zu ihrem ... Werkzeug! Zu einer Saat des Bösen, die sie zwischen den Welten aussäten! Kannst du mir folgen? Ich war der Irrsinn und die Strafe! Ich war das Dunkel, das das Licht erst möglich macht!«
Angesichts dieses Ausbruchs hielt Shaithis in seiner Arbeit am Bottich inne. Er vermochte die Gedankengänge seines Gegenübers nicht nachzuvollziehen. Deshalb schüttelte er nur den Kopf und hob die Hände. »Könnt Ihr Euch nicht etwas deutlicher ausdrücken?«
»Nein, verdammt nochmal!«, brüllte Shaitan ihn an. »Ich habe es geträumt. Ich weiß, dass es die Wahrheit ist, aber ich weiß nicht, was es heißt. Ich habe es dir erzählt, damit auch du versuchen magst, zu ermessen, was es bedeutet – und dabei ebenfalls versagst!« Damit war er zornig davongerauscht und im Labyrinth des Vulkans verschwunden.
Danach hatte Shaithis lange Zeit nichts mehr von ihm gesehen. Er war sich lediglich bewusst gewesen, dass der Schatten seines Ahnherrn in der Nähe war. Doch als er eines Tages wieder an die Bottiche ging, war er auf
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