TODESSAAT
Antlitz in der breiigen Masse des Bärenschädels, labte sich gierig an strömendem Karmesinrot. Das Blut ist das Leben!
Nach einer Weile richtete er sich witternd auf. Nicht weit entfernt suchte sich der andere Bär kriechend, die nutzlos gewordenen Läufe hinter sich herschleifend, in Sicherheit zu bringen. Irre Schmierereien in Rot auf dem Eis. Ströme von Blut. Shaithis kämpfte den eigenen Schmerz nieder und folgte der gelähmten Kreatur nach; sobald sich die Gelegenheit bot, zerfetzte er ihr die Muskeln und Sehnen der Vorderläufe. Nun war sie völlig handlungsunfähig. In den geweiteten Augen glitzerten Hass, Resignation, Panik. Shaithis kostete sie allesamt nur einen Sekundenbruchteil lang aus, dann riss er ihr die Kehle auf und ließ den Rest ihres Lebens aufs Eis herausströmen.
Abermals kostete er heißes, dampfendes Blut und fühlte, wie die eigene Stärke wiederkehrte.
Auf der Eisklippe schwankte der diamantförmige Schädel des Hybriden auf und nieder. Shaithis erhob sich und befahl: Komm!
Und der Geflügelte kam. Er glitt und rutschte zum Abgrund hin, seine zahlreichen ›Füße‹ wirbelten wie umherpeitschende Schlangen und katapultierten ihn schließlich ins Nichts hinaus; und die gewaltige Fleischesmasse erhob sich über den Ozean, glitt in einem bizarr taumelnden Flug dahin, wölbte eine gewaltige Mantaschwinge nach unten, wendete und kehrte in weitem Bogen zurück. Der Geflügelte ließ sich in respektvoller Entfernung auf dem Eis nieder, und erst auf Shaithis’ beharrliches Drängen hüpfte und flatterte er dorthin, wo die Kadaver seiner harrten. Indessen hatte der Vampir-Lord die großen, dampfenden Herzen aus dem Leib der Bären geschnitten und verstaute sie in einer ledernen Tasche als Wegzehrung.
Er schulterte die Tasche und ließ sich auf einer klobigen Eisverwerfung nieder. Friss, wies er den Geflügelten an. Sättige dich.
Im hellen Schein des Mondes und der Sterne holte sich die Wechselbalg-Bestie reißend und schlingend einen großen Teil der verlorenen Wärme, Fettschichten und Körperflüssigkeiten zurück. Aye, friss, friss, so viel zu kannst!, feuerte Shaithis sie an. Es wird für eine ganze Weile kein solch kräftigendes Fleisch mehr geben. Zumindest so lange nicht mehr, bis mein Leib geheilt ist.
Und dann, ganz allmählich, ließ er zu, dass sich der Schmerz Bahn brach; dass sie ihn kriechend und krabbelnd übermannten, die Todesqualen des aufgefetzten Rückens und des zerbissenen Arms und der zersplitterten Rippen, die den trommelnden Hieben der Bärentatzen trotz allem standgehalten hatten. Schmerzen, immer noch gewaltigere Schmerzen! Sein Vampir spürte sie, und allesamt waren sie dem Ding in ihm Ansporn, sich um die Heilung zu kümmern.
Schmerz, ja. Es hatte oftmals Zeiten wie diese gegeben, nach einer mörderischen Schlacht, nach einem errungenen Sieg, Zeiten, da der Schmerz wärmer war als das warme, fleischig-feuchte Innere einer Frau. Es war Shaithis’ Stolz, ihn nun über sich hinwegbrausen zu lassen und zu spüren, wie die Narben auf seinem Körper bereits zu heilen begannen. Vielleicht würde er ein paar von ihnen blutig klaffen lassen, oder besser verschorft, als Memento dieses Sieges.
Nur ... wen gab es hier schon, der sie zu schätzen wusste?
Nach einem Flug, der so lange währte wie jener der ersten Etappe, erspähte Shaithis schließlich die Eisburgen, wie sie unter den Serpentinenwindungen der polaren Aurora glitzerten. Dies konnten nur Festen, Heimstätten, Horste sein ... oder?
Sein Herz schlug rascher in der breiten Brust. Wamphyri – hier? Welche Art von Kreaturen mochten sie sein, jene, die in Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt in diesen Eislanden hausten? Albinos wie jene sagenumwobenen Fledermäuse, denen ein Wärme spendendes weißes Fell gewachsen war? Und wovon ernährten sie sich? Und, um es auf den Punkt zu bringen, wie würden sie auf den Lord Shaithis reagieren?
Er brachte seine Reit-Kreatur dazu, höhere Luftgefilde aufzusuchen, denn so war das in Eis gepackte Land tief unten weithin am besten auszuspionieren. Weit im Norden, möglicherweise am allernördlichsten Horizont, zog sich eine Kette längst erloschener Vulkane entlang; mächtige Kraterkegel ragten durch Eis und Schneeverwehungen hoch empor. Nach Osten wie auch zum Westen hin zogen sie sich, so weit Shaithis’ Auge reichte – frostige, glitzernde Horizonte. Einige waren in pures Eis gehüllt, andere trugen blankes Gestein zur Schau; woraus Shaithis schloss, dass den
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