Todessaat
ging unter und färbte eine Reihe Kakteen in ein grelles Orange.
Er schüttelte eine Zigarette aus der Schachtel, steckte sie sich in den Mund und entzündete ein Streichholz an einem Felsbrocken, der zu Dekorationszwecken im Beet lag. Dann schützte er die Flamme mit den Händen, bis die Zigarette angezündet war. Noch immer hatte er Grace nicht angesehen. Im Profil wirkten seine Schultern sehr breit.
»Auf welcher Seite stehst du?« Er hatte eine raue Stimme. Er nahm einen langen Zug an der Zigarette.
»Auf keiner, denke ich«, antwortete Grace ehrlich.
Stuart stieß den Qualm abrupt aus und inhalierte gleich
noch einmal, bevor er die Zigarette auf den Boden warf. Er drückte sie mit seinem Stiefel aus, hob sie vorsichtig auf und blies den Schmutz ab, bevor er sie in seine Hemdtasche steckte.
»Sie hat es mir versprochen. Sie hätte nicht in diese Sache hineingezogen werden dürfen. In keinster Weise. Nicht bei ihrer Vergangenheit.« Seine Stimme klang schmerzverzerrt.
Er sprach mit ihr, als ob sie sich kennen würden. Grace fragte sich, warum. »Haben wir uns schon einmal getroffen?«
»Du bist diejenige, die weggegangen ist. Vielmehr dein Vater. Er hat die Reinheit der Ahnenreihe gebrochen und ist mit Lottie durchgebrannt.«
Ein spitzbübisches Grinsen umspielte seine Lippen, sodass sie wusste, dass er scherzte. »Dein Vater hat die Tür für verschiedenartige Paare geöffnet.«
Sie lächelte zurück. »Das erklärt einiges.«
Er warf ihr einen wachsamen Blick zu.
»Ich habe einen Portugiesen erwartet, das ist alles.«
»Und vielleicht jemanden, der einige Dekaden jünger ist.«
Sie verstummte.
»Bei meinem ersten Rendezvous mit Vonda erzählte sie mir, dass ihre Großmutter sie nur mit portugiesischen Männern sehen wollte. Sie fand es witzig.« Er grinste wehmütig bei der Erinnerung, und seine Gesichtszüge wurden ein wenig sanfter.
»Nana ist ein harter Brocken.« Grace kam plötzlich eine Erinnerung an ihre Großmutter, wie sie auf einem dicken Kissen am Esszimmertisch mit der bestickten Decke saß; geduckt wie ein alter Raubvogel.
»Sie ist die Beste«, erwiderte er loyal.
Grace fragte sich, wie schwer es für ihn gewesen war, Nanas scharfer Zunge zu begegnen. Nana hatte ihr als Heranwachsende immer klargemacht, dass es Sicherheit gab,
Portugiesin zu sein. Außerhalb gab es Gefahren, und Grace pendelte zwischen beiden Welten und fühlte sich nirgends sicher.
Stuart drehte das Handgelenk und sah auf die Uhr. Er trug eine Army-Uhr mit einem großen Kratzer auf dem Uhrenglas. Grace fragte sich, ob er sie aus zweiter Hand hatte oder sich den Schaden selbst in irgendeinem trostlosen Kriegsgebiet erkämpft hatte.
»Wenn du sie siehst, sag ihr, dass ich sie liebe.« Er senkte den Kopf und betrachtete seine Schuhspitzen. »Und dass es mir leidtut, dass ich geschrien habe.«
Er sah seitlich an ihr vorbei, die Augen glänzten von Schmerz und Demütigung.
»Du machst dir Sorgen um sie.«
»Ich muss zur Arbeit gehen.« Er ging mit schnellen Schritten auf den Parkplatz zu.
»Wir könnten uns ja treffen.«
Er hielt an, dachte über den Vorschlag nach. »Um Mitternacht habe ich eine Pause. Dann können wir reden.« In seiner Stimme lag ein einsamer Stolz. Er war ein Mann, der mit sich selbst kämpfte. Sie wollte ihm sagen, dass ihr Motiv nicht Wohltätigkeit, sondern Egoismus war. Sie versuchte nicht, ihm zu helfen, sondern wollte einfach durch die lange Nacht ohne Katie und Mac kommen.
Sie wühlte in ihrer Tasche, ging auf ihn zu und hielt ihm einen Stift und die aufgeschlagene Kladde hin.
Er kritzelte seine Adresse hinein. »Wir sehen uns um Mitternacht. Dann reden wir. Ich erzähle dir alles, was ich weiß. Und vieles, was ich nur vermute.«
12
G race wusste nicht, wie es in anderen Familien war, aber in ihrer war Vonda von Geburt an dazu erzogen worden, die Krone zu tragen, während Grace darauf trainiert worden war, die Kutsche der Königin zu ziehen.
In einer ihrer ersten Erinnerungen überhaupt saß Vonda in einem Sommerkleid da, der Babyspeck rollte sich um den stämmigen Körper des Kleinkinds. Sie winkte ihren Brüdern zu, die daraufhin in einer Reihe standen und ihr Dinge zuwarfen - je fester, desto besser. Grace wollte auch in der Mitte sitzen und winken. Die Jungs sollten nur die Kutsche ziehen, denn Tante Chel bestand darauf, dass Vonda von früh auf trainiert wurde. Schließlich hatte Graces Bruder gemeinsam mit ihr die Königin gestürzt und die Kutsche umgestoßen, sodass
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