Todessaat
beschäftigen konnte, das Teamarbeit verlangte.
»Was sagen die Ärzte?« Das war eine gefährliche Frage, und in dem Moment, als sie die Frage gestellt hatte, wünschte sie sich, sie könnte sie wieder zurücknehmen. Etwas Wildes flatterte in ihrer Brust, als ob es gefangen wäre und den Weg nach draußen suchte, um dann im Himmel in Freiheit zu explodieren.
»Das Übliche«, antwortete Sarah achselzuckend und mit brüchiger Stimme. »Mangelhafte Fruchtbarkeit. Eine schadhafte Gebärmutter oder Nabelschnur. Geschwülste. Wucherungen. Die Ärzte wissen es auch nicht.«
»Wir bekamen Chromosomenbehandlungen«, sagte Andrea. »Sie haben mit Taschenlampen in unsere Gebärmutter gestarrt. Ich glaube nicht, dass Sie das alles hören wollen.«
Sie hatten recht. Grace wollte das nicht hören. Nicht als Ärztin. In diesem Moment erkannte sie, dass sie wie eine Ermittlerin des Kriminallabors reagierte. Sie war nicht so sehr daran interessiert, ihr medizinisches Problem zu lösen, als vielmehr daran, wie sie ihren Schmerz vorschoben, um ihre Anarchie zu rechtfertigen.
Doch etwas wurde ihr in diesem Moment klar. Sie würde nicht zurück zur Medizin finden. Das Licht in der Zelle war gebrochen, verändert, und sie hatte das merkwürdige Gefühl einer Erleuchtung.
Sie würde ihre Vergangenheit, das, was sie gewesen war, nutzen, um ihre Zukunft zu formen. Was auch immer dabei herauskommen würde. Sie würde sich nicht mehr verstellen und vorgeben, eine Ermittlerin im Kriminallabor zu sein, aber sich wie ein Hochstapler fühlen, immer kurz davor, sich für ihre Wahl zu rechtfertigen, zu entschuldigen.
Sie gehörte in diese Welt. Oder auch nicht. Aber das sollte für den Moment ausreichen.
Andrea sagte: »Hühner, die mit genmanipuliertem Mais gefüttert wurden, starben doppelt so schnell wie andere.«
»Und Mäuse, die mit genmanipulierten Kartoffeln gefüttert wurden«, erläuterte Vonda, »hatten eine geschädigte Bauchspeicheldrüse. Wir müssen sie warnen. Die Menschen aus armen Ländern, die hierherkommen und dann den ganzen Mist über genmanipuliertes Getreide hören und wie sie damit ihr Volk vor dem Hungertod bewahren können. Keiner hat auch nur die geringste Ahnung davon, was wirklich passieren kann und wann es geschieht. Sie werden angelogen, und das muss aufhören.«
»Und ihr wollt das übernehmen.«
Andrea sah sie an. »Du musst bereit sein, für deine Überzeugung zu sterben.«
Mit Lottie, ihrer Mutter, von einer Bar zur nächsten zu tingeln hatte Grace ein paar grundlegende Dinge gelehrt: Nimm immer ein Zimmer im Erdgeschoss, auf diese Weise ist es leichter, mitten in der Nacht durch ein Fenster zu verschwinden; wenn du die Wahl hast, stell dich immer direkt an die Tür; ignoriere niemals das Schaudern, das ganz unten an der Wirbelsäule beginnt, ein Schaudern, das einem, wenn es intensiv genug ist, die Nackenhärchen aufstellt.
Grace rieb sich den Nacken. »Ist das auch Bartholomew passiert? Ist er für seine Überzeugung gestorben?«
Die äußere Tür zu den Zellen wurde geöffnet, und zwei Aufseher traten ein. Einer wirbelte seinen Schlüsselbund ä la Bruce Lee wie ein Nunchaku herum. Sie durchquerten den Essbereich und öffneten die U-Haft-Zelle.
»Okay, ihr drei, raus hier.«
»Was, wenn wir nicht gehen...«
»Es reicht, Vonda. Sie wollen Ihre Fans doch nicht warten lassen.«
13
G race saß in ihrem Auto auf dem Parkplatz. Sie führten das TV-Interview vor dem Denkmal der gefallenen Polizisten und benutzten das gedrehte Metall als Hintergrundkulisse. Mittlerweile war es dunkel geworden, und Vondas Haut sah grau und fahl aus. Wo war Vonda da nur hineingeraten?
Du musst bereit sein, für deine Überzeugung zu sterben . Genau das hatte Andrea gesagt. Und zu töten. War das auch Teil der Überzeugung? Hatte irgendjemand aus Bartholomews Gruppe ihn umgebracht, um die Sache ins Rollen zu bringen?
Der Scheinwerfer wurde abgeschaltet, und Grace richtete sich im Wagen auf. Ein Taxi fuhr auf den Parkplatz und hielt mit laufendem Motor in der Kurve. Der Kameramann half Vonda auf den Rücksitz. Andrea und Sarah stiegen nach ihr ein.
Über dem Fernsehwagen schaukelte eine weiße Satellitenschüssel wie eine fliegende Untertasse. Der Wagen bog in die Tahquitz-Straße ein, und das Taxi fuhr ihm hinterher. Grace selbst ließ einen Wagen Abstand zwischen sich und dem Taxi. Kostümierte Demonstranten gingen mit Protestschildern auf dem Bürgersteig. Eine Frau, die als Sensenmann kostümiert war, lief auf
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