Todesschach
Strafgefangene zur Verfügung stehen?«
Thorn sagte:
»Das ist etwas, das ich leider Ihnen überlassen muß. Ich werde keinen Einfluß darauf haben. Man wird mich nicht fragen, sondern nur verurteilen. Sie aber haben das Recht, freiwillig weiterzuspielen, da Sie bereits vor dem Stichtag gespielt haben.«
»Ein Glück für mich, daß es diesen Paragraphen gibt. Übrigens werde ich nicht mehr länger Figur sein. Ich habe alles vorbereitet, um die Spielerlizenz zu erhalten. Die Frage ist nur, ob es mir dann auch gelingt, Ihre Mira ›einzukaufen‹, sobald sie zur Verfügung steht.«
Thorn lächelte gequält.
»Es gibt so viele ›Wenn und Aber‹, Grams. Die Hauptsache ist, daß nun die Chance besteht, Mira zu retten. Sie und ich auf einem Feld, und wir haben es geschafft.«
Grams schüttelte den Kopf.
»Dann haben wir es vielleicht zu zehn Prozent geschafft, Thorn. Mehr nicht. Aber zehn Prozent sind mehr als nichts.«
»Sie sind der Anfang, Grams.« Er stand auf. »Ich will Sie nicht länger aufhalten und in Gefahr bringen. Ich danke Ihnen, daß Sie mir helfen wollen. Und, ehrlich gesagt, ich weiß wirklich nicht, wie ich das alles einmal wieder gutmachen soll. Ich bin ein Fremder für Sie, Mira erst recht. Allein meine Argumente können Sie doch nicht so überzeugt haben, daß Sie Ihr Leben aufs Spiel setzen.«
»Das gehört zu meinem Leben, Thorn. Ich liebe die Gefahr, und die Befreiung Ihrer Verlobten gehört zu meinem Spiel. Es ist ein Teil des Todesschachs, ein privater Teil, wenn Sie es so wollen. Außerdem muß ich zugeben: Ihre Argumente sind gut. Auch Sie haben Ihr Leben und Ihre Freiheit aufs Spiel gesetzt, um eine Idee zu verwirklichen. Und ich halte diese Idee für gut. Nur ein Schock kann unsere Gesellschaft aufrütteln und heilen. Grödig wäre dieser Schock.«
Als sie sich diesmal verabschiedeten, hatte Thorn die Gewißheit, einem wirklichen Freund die Hand zu schütteln.
Er kehrte auf sein Zimmer zurück und beschloß, bis morgen zu bleiben. Hier war er einigermaßen sicher, wenn auch nur für ein oder zwei Tage. Zwar gab es kaum Kontrollen der Polizei, aber man konnte nie wissen. Es war besser, den Aufenthaltsort öfter zu wechseln, wenn man in der Illegalität lebte.
Das Werk lag am Fuß eines langgestreckten Gebirges, das eine natürliche Grenze nach Norden bildete. Die Wohnhäuser gruppierten sich ein wenig abseits auf den Hügeln, die mit der spärlichen Vegetation los bedeckt waren. Es gab keine Zäune und Absperrungen. Sie waren genauso unnötig wie das Wachpersonal, das im Grunde genommen nur die Funktion der Arbeitseinteilung übernahm. Von hier gab es keine Flucht, höchstens die Flucht in die wasserlose Wüste und, wenn man Glück hatte, ins nächste Lager.
Schon dicht unter der Oberfläche gab es reichhaltige Lager an Rohstoffen, die zur Herstellung wichtiger Kunststoffe dienten. Aleks, der auf diesem Gebiet große Erfahrungen besaß, dankte dem Schicksal, sich hier nützlich machen zu können. Das würde sein und Miras Leben erheblich erleichtern. Denn die Strafkolonie auf Io war auf den Nachschub von der Erde angewiesen, und die Erde ihrerseits lieferte diesen Nachschub gegen Produkte von Io. Die Strafgefangenen auf Io kosteten den Steuerzahler auf der Erde kaum etwas.
Die Unterkünfte waren wesentlich besser und großzügiger angelegt, als Mira und Aleks vermutet hatten. Beide begannen daran zu zweifeln, daß alle Gerüchte, die sie über das Leben auf Io gehört hatten, der Wahrheit entsprachen. Man gab ihnen zwei Einzelzimmer, die durch eine Zwischentür verbunden waren. Der Sergeant, der ihnen die gedruckte Lagerordnung überreichte, sagte:
»Sie dürfen sich nicht einbilden, es sei überall so wie hier. Aber Major Lendoka legt Wert darauf, daß Ruhe und Ordnung bei uns herrschen. Und eine gewisse Zufriedenheit. Nur so kann er die Norm schaffen und Oberst Tilbor davon überzeugen, daß wir ein Musterlager sind. Wir haben dadurch unsere Vorteile, Strafgefangene und Wachpersonal. Wir erhalten bessere Löhnungen und leichter einen Erdurlaub, Sie haben andere Vergünstigungen. Noch Fragen?«
Aleks nickte.
»Sie haben uns die beiden Zimmer gegeben, ohne sich zu erkundigen, ob wir das auch wünschen. Wie kommt das?«
Der Sergeant grinste.
»Nun, das sah doch ein Blinder, daß Sie zusammengehören. Und da Sie beide in derselben Abteilung arbeiten werden, lag es doch wohl nahe, Sie nicht zu trennen. Es wird Neider geben, Aleks, und Sie werden Ihren Anspruch mehr als einmal
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