Todesschach
wurde. Natürlich kam es noch immer darauf an, was der Gefangene für ein Mensch war, ob er mit sich reden ließ – und ob er Angst vor der Deportation nach Io hatte.
Kern wurde ins Zimmer geschoben, dann schloß sich die Tür wieder.
Oberst Rangel betrachtete seinen Gefangenen, dann deutete er auf einen Stuhl.
»Nehmen Sie Platz, Mister …«
»Kern, Herr Oberst. Wer sind Sie?«
»Der Adjutant Grödigs, Kern. Warum drangen Sie hier ein? Was wollen Sie von Grödig?«
Kern hatte sich gesetzt. Abwägend betrachtete er den Obersten und schien zu überlegen, was sich mit ihm anfangen ließe. In dieser Hinsicht glichen sich die Gedankengänge der beiden Männer ungemein. Jeder hatte etwas mit dem anderen vor und gedachte, ihn für seine Zwecke einzuspannen.
»Mit ihm reden, das ist alles.«
»Im Auftrag der verbotenen Organisation, versteht sich.« Rangel schüttelte den Kopf. »Welchen Sinn sollte das haben? Grödig ist ein Showmaster, mehr nicht. Er unterhält die Welt, das ist alles. Und wenn Sie auf den Gedanken kommen sollten, ihn über seine wahre Rolle aufzuklären, würden Sie eine Menge Leute um ihr Vergnügen bringen.« Er sah Kern zwingend an. »Und genau das hatten Sie doch vor, oder etwa nicht?«
»Warum sollte ich Ihnen darauf antworten?« fragte Kern kalt.
Oberst Rangel lächelte, stand auf und schloß die Tür ab. Er setzte sich wieder.
»Nun sind wir ungestört und können offen miteinander sprechen. Warum Sie mir die Wahrheit sagen sollen? Ganz einfach: damit ich Sie nicht nach Io schicke. Ist doch ein glatter Handel, nicht wahr?«
»Wer garantiert mir, daß Sie Wort halten?«
»Ich«, sagte Oberst Rangel.
Kern glaubte ihm kein Wort. Er schwieg. Rangel merkte, daß er so nicht weiterkam. Er mußte es anders versuchen.
»Hören Sie gut zu, Kern. Ich gebe zu, in der besseren Position zu sein, darum will ich Ihnen Vertrauen entgegenbringen. Ich habe einen Plan, und ich nehme fast an, daß er dem Ihren nahezu entspricht, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen. Wir wollen beide dasselbe, aber wir arbeiten mit verschiedenen Methoden. Sie wollten Grödig sprechen, gut und schön. Sie wollten ihm wahrscheinlich die Wahrheit mitteilen. Wozu das? Nur um unsere Show zu sprengen, oder um ihn zu warnen? Wollten Sie, daß er aus seinen Träumen erwacht und die Initiative ergreift? Sie wissen, wie gefährlich das sein könnte. Meine Frage, vorsichtig formuliert und ohne Ihnen eine Falle zu stellen: Welchen Sinn sollte das haben?«
Kern blieb auf der Hut.
»Sie haben mir noch immer keine Garantie gegeben, Oberst. Sie sprachen von Vertrauen, also haben auch Sie etwas vor, das nicht legal ist. Sagen Sie mir, was das ist, dann werden Sie von mir erfahren, warum ich hier bin.«
Rangel überlegte. Er ging kein Risiko ein, wenn er den Fremden einweihte. Sein Wort gegen das seine – es konnte kein Zweifel daran bestehen, wem der Sicherheitsdienst mehr Glauben schenkte.
»Gut, ich werde es Ihnen sagen. Die ganze Welt sieht unsere Sendung mit Grödig, und für jeden ist es ein Mordsspaß. Was aber wäre, wenn alle plötzlich glauben müßten, Grödig wäre wirklich an die Macht gelangt, mit Hilfe der Untergrundbewegung meinetwegen? Würde aus dem Spaß kein Schock, der sogar noch unterhaltsamer wäre? Wäre das nicht genau das, was die gelangweilte Masse will? Mein Plan ist es, Grödig pro forma an die Macht zu bringen. Hier im Palast wird zum Schein eine Revolution inszeniert und live gesendet.«
Kern war nicht ganz überzeugt.
»Und Sie glauben, Grödig mache da mit? Er würde dann ohnehin erfahren, daß man ihn an der Nase herumgeführt hat.«
»Grödig merkt überhaupt nichts davon. Er wähnt sich ohnehin an der Macht. Für ihn gibt es keinen Unterschied. Alle Sicherheitsvorkehrungen bleiben für ihn bestehen. Sehen Sie nicht, daß es möglich ist, die Welt zu täuschen? Die größte Unterhaltungssendung, die es jemals gab. Nervenkitzel, Spannung und Schrecken! Großartig!«
Oberst Rangel war so begeistert von seiner Idee, daß er fast vergessen hatte, wer ihm zuhörte. Er schwieg und sah Kern erwartungsvoll an.
Kern lächelte.
»Ich sehe, wir wollten ähnliches, nur wollte ich die Menschen nicht unterhalten, sondern sie durch einen Schock heilen.«
»Heilen? Wovor?«
»Vor dem endgültigen Untergang, vor Dekadenz und Zerfall aller moralischen Begriffe. Sie sollten glauben, daß Grödig sie beherrscht, der mörderische, gnadenlose Grödig, der sich nun für seine Schmach rächen würde. Diese
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