Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
Schwangerschaftssymptome?«
»Doch, aber ich habe sie nicht richtig eingeordnet. Ich war sehr müde, und mir war übel, aber ich war beruflich auch sehr eingespannt. Ich habe alles auf den Stress zurückgeführt.«
Die Ärztin nickte und erklärte weiter, was sie auf dem Bildschirm sah. Rebekka wagte zuerst nicht hinzuschauen, doch dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und konnte langsam die grauweißen Nuancen auf dem Schirm voneinander unterscheiden. Sie starrte den kleinen beweglichen Klumpen an, während sie plötzlich von Gefühlen übermannt wurde. Ein heilloses Durcheinander aus Schock, Erleichterung, Trauer und leiser Freude. Und vor allem Verwirrung. Dass sie schwanger war, war das Letzte, womit sie gerechnet hatte. Sie war Ermittlerin, und in ihr steckte eine Chefin der Mordkommission und kein Baby.
»Sie können sich wieder anziehen und dort drüben auf dem Stuhl Platz nehmen.« Die Ärztin zeigte auf einen zusätzlichen Stuhl an einem größeren Schreibtisch und verschwand aus der Tür. Rebekka trat hinter den Vorhang und zog sich wieder an, während sie versuchte, sich von den dramatischen Ereignissen des Tages zu erholen. Sie trug ein Kind in sich. Das war eine Tatsache. Wer hingegen der Vater dieses Kindes war, stand nicht fest. Michael oder Niclas. Sie rieb sich kräftig die Augen. Scheiße.
Die Ärztin kam zurück und setzte sich ihr gegenüber.
»Gut. Ich habe mir aufgeschrieben, wann Sie Ihre letzte Periode hatten, und von dem Scan ausgehend kann ich errechnen, dass Sie in der zehnten Woche plus fünf Tage sein müssten. Das heißt, dass das Kind am einunddreißigsten März nächsten Jahres zur Welt kommen wird. In den nächsten Wochen werden Sie von Ihrem örtlichen Krankenhaus einen Termin für eine Nackentransparenzmessung bekommen und in der zwanzigsten Woche für eine Fruchtwasseruntersuchung. Sie können natürlich gern auch zu uns kommen, wir machen unter anderem einen 3-D-Ultraschall, auf dem Sie die Gesichtszüge Ihres Kindes deutlich sehen können. Mehr darüber erfahren Sie aus dieser Broschüre hier.«
Kurz darauf stand Rebekka im strömenden Regen unten auf dem Bürgersteig. Unentschlossen blieb sie einen Augenblick stehen, was ausreichte, um klatschnass zu werden. Dann hatte sie sich wieder so weit unter Kontrolle, um in die Adelgade hinüberzugehen, wo sie ihr Auto geparkt hatte. Sie setzte sich hinein, drehte den Zündschlüssel im Schloss und betrachtete die Scheibenwischer, die den Regen immer wieder mit einem leicht quietschenden Geräusch zur Seite schoben. Draußen donnerte es, und der Himmel wurde immer dunkler, bis ein Blitz ihn erhellte. Es regnete immer heftiger, Wasser strömte über die Frontscheibe. Plötzlich klopfte jemand kräftig gegen das Seitenfenster, und Rebekka zuckte zusammen und kurbelte das Fenster herunter. Ein gleichaltriger, total durchnässter Mann stand neben dem Auto. Er lächelte sie verlegen an.
»Ich wollte mich nur vergewissern, ob alles in Ordnung ist? Sie saßen so … so verloren da.«
Erst da merkte Rebekka, dass sie bis auf die Haut nass war, und ihre Zähne begannen zu klappern.
»Danke … ich … mir geht es gut. Danke.« Sie kurbelte das Fenster wieder hoch, trat das Gaspedal durch und fuhr schnell los, während ihr die Tränen über das Gesicht liefen.
—
Rebekka hatte die ganze Nacht wach gelegen und nachgedacht. Sie hatte es nicht fertiggebracht, jemanden anzurufen, weder Dorte noch ihre Eltern, Michael, Niclas, Ryan oder jemand anderen. Sie wollte alleine sein. Stundenlang hatte sie auf dem Sofa gesessen, wo sie in eine Decke gehüllt und mit einer Tasse Tee in der Hand vor sich hingestarrt hatte. Sie hatte den Fernseher nicht eingeschaltet, keine Musik gehört, nur dagesessen und gegrübelt, während der Tee in der Tasse kalt geworden war.
Als die Morgensonne endlich durch die septembergraue Wolkendecke drang, war sie einer Lösung um keinen Schritt näher gekommen. Es war unbegreiflich, dass sie sich selbst in diese Situation gebracht hatte. Wie hatte das passieren können? Als Robin damals gestorben war, hatte sie sich geschworen, immer gut auf sich achtzugeben, ein Versprechen, das in besonderen Arbeitssituationen hin und wieder schwer zu erfüllen gewesen war, das sie jedoch im Privatleben bisher nicht gebrochen hatte.
Rebekka schnaubte. Sie fühlte sich ebenso jämmerlich wie die jungen Mütter aus den Fernsehtalkshows, die immer wieder schwanger wurden und oft nicht wussten, wer der Vater des Kindes war. Sie
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