Todesstoß / Thriller
öffnen.
Alles um sie herum schien im Nichts zu versinken. Eve starrte auf den Monitor, bis sie ein Wimmern hörte und begriff, dass es aus ihrer Kehle kam.
Gwenivere hing an einer Schlinge um den Hals von der Decke, ihr Gesicht grell geschminkt wie das eines Clowns. Ihre roten Schuhe waren ihr von den Füßen gerutscht. Einer lag auf der Seite, der andere stand aufrecht.
»O Gott«, flüsterte Eve. Ihr Puls jagte, sie stellte den Laptop beiseite und begann, hin und her zu gehen. Martha war erhängt worden. Nun war dasselbe mit Christys Gwenivere passiert. Es mochte nur ein Zufall sein.
Aber du weißt verdammt gut, dass es keiner ist. Ruf die Polizei an.
Und was willst du ihnen sagen?
Dass jemand eine Figur in einem Computerspiel gekillt hatte? Man würde sie auslachen.
Dann erzählst du ihnen eben nichts über Shadowland. Sie sollen einfach nur nach ihr sehen.
Dann wollen sie wissen, warum. Du sagst ihnen, dass Christy nicht zur Arbeit erschienen ist.
Trotzdem würde man sie auslachen.
»Ich kann nicht die Polizei anrufen«, murmelte sie. »Aber ich muss es jemandem sagen.« Jemandem, dem sie vertraute.
Wäre sie in Chicago gewesen, hätte sie Mia Mitchell angerufen, die dritte der drei Frauen ihrer Jugendzeit im Hanover House. Aber sie lebte nicht mehr in Chicago, und Mia war nicht hier.
Sie zwang sich zur Ruhe, bis sie nur noch das Tropfen des Wassers im Wohnzimmer hörte, dann wusste sie plötzlich, was sie zu tun hatte. Olivia Sutherland. Olivia Sutherland war Mias Schwester und gehörte auch zur Hat Squad. Olivia war ein lieber Mensch, sie hatte Eve geholfen, den Job im Sal’s zu bekommen. Wenn Christy in Schwierigkeiten steckte, konnte Olivia Noah Webster Bescheid geben und Eve dennoch aus dem Spiel halten. Falls es Christy gut ging, musste Olivia nichts sagen.
»Endlich denkst du wieder geradeaus«, murmelte Eve. Sie wählte die Polizeidienststelle an und ließ sich mit Olivia verbinden. Doch es meldete sich nur ein Anrufbeantworter. »Olivia, hier spricht Eve Wilson. Könntest du mich bitte zurückrufen? Es ist dringend.«
Sie legte auf und starrte den toten Avatar auf dem Bildschirm an.
Was jetzt?
Du musst nach Christy sehen.
Mit zitternden Händen checkte sie online das Telefonbuch. Martha war eingetragen gewesen, aber es gab sechs Christine Lewis’ in den Twin Cities.
Die Adressen sämlticher Versuchspersonen befanden sich auf dem Universitätsserver in einer Datei, die über Dr. Donners Account zugänglich war. Als sie das eine Mal eingebrochen war, hatte sie den Rechner von Donners Assistenten benutzt. Jeremy Lyons hatte zu Beginn der Studie alle Namen eingegeben.
Jeremy Lyons war außerdem ziemlich unachtsam und ließ seinen Rechner ungeschützt, wann immer er eine Pinkelpause einlegte, was ziemlich oft am Tag vorkam. Es hatte Eve kaum Zeit gekostet, die Datei zu finden und sich die Namen der Leute zu notieren, die sie für gefährdet hielt. Sie hatte aber keine Zeit gehabt, auch deren Adressen aufzuschreiben, und sie hatte sie gar nicht wissen wollen.
Damals hatte das für ihre Begriffe zu sehr nach einem Eingriff in die Privatsphäre ausgesehen. Nun wünschte sie, sie hätte weniger Hemmungen gehabt.
»Du könntest einfach Noah Webster anrufen«, sagte sie laut. Und was sollte sie ihm sagen?
Wie wär’s mit der Wahrheit?
Sie hatte sie ihm schon sagen wollen, als sie ihn in Marthas Mietshaus getroffen hatte. Er hatte etwas an sich, das ihr das Gefühl gab, ihm … vertrauen zu können. Vertrauen war ein kostbares Gut.
Das ist mein Studienplatz auch.
Eve musste sich Zugang zum Server verschaffen, ohne dass man ihre Spuren zurückverfolgen konnte. Sie wusste, wer sich damit gut auskannte. Danas Mann Ethan war Sicherheitsexperte für Computernetzwerke. In Chicago hatte Eve einige Zeit für Ethan gearbeitet und verdammt viel über Netzwerke gelernt. Sie musste zu Hause anrufen.
Falls das nicht klappt, rufe ich wirklich Webster an und mache reinen Tisch.
Sie drückte sich die Daumen, wählte und hätte fast aufgeschluchzt, als sie Danas vertraute Stimme hörte. »Evie. Wie geht’s dir?«
»Mir geht’s gut.« Dana war wieder schwanger, und in einem Monat war es so weit. Eve würde ihr keinesfalls sagen, dass etwas nicht stimmte. »Könnte ich mit Ethan sprechen? Meine Festplatte spinnt mal wieder.«
»Du wirst mir sowieso früher oder später sagen, was wirklich los ist«, sagte Dana. »Bleib dran, ich hole Ethan.«
Eine Minute später nahm er den Hörer auf. »Eve. Ist alles okay
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