Todesstoß / Thriller
besteigen ist.«
»Genau so. Sie schreiben ein Programm, das sozusagen die Mauern abklopft, bis es einen lockeren Ziegel findet. Dann drückt man drauf und ist drin.«
»Kommt mir vor wie ein Spiel«, sagte David. »Hacker finden Lücken, Sicherheitsfirmen schließen sie wieder.«
Eve grinste. »Das erinnert mich übrigens an mein Dach. Jedenfalls suchen manche Hacker die lockeren Ziegel aus kriminellen Gründen – um beispielsweise an Kreditkarteninformationen zu gelangen. Andere tun es einfach nur aus Spaß an der Freude. Solche Hacker geben den Code gern weiter, weil ihnen das unter Gleichgesinnten einiges an Ansehen einbringt. Ich hoffe, dass ich damit ein Sicherheitsloch bei ShadowCo finde. Dann kann ich Marthas und Christys Dateien suchen, sehen, mit wem sie sich unterhalten haben und – noch wichtiger – herausfinden, wer ihre Avatare verändert hat.« »Und dieses Wissen gibst du dann an Detective Webster weiter«, sagte David.
»Versprochen. Aber, David, glaub mir, die Polizei würde Tage brauchen, um eine richterliche Verfügung für ShadowCo zu erwirken – ich kann mir einfach viel schneller Zugang verschaffen. Dann setzen die Cops den Killer fest, und ich muss wegen keiner weiteren Todesfälle Schuldgefühle haben.« Sie gab ein paar Befehle ein, klickte sich wieder zum Ninth Circle und stach mit der Gabel in ihre Nudeln. »Und sagt mir jetzt bloß nicht, ich müsste kein schlechtes Gewissen haben. Ich habe es, und basta.«
Keiner der beiden anderen protestierte. Dazu gab es einfach nichts mehr zu sagen. Eve tätschelte Callies Arm. »Fahr nach Hause. David ist ja hier.«
Callie sah zu David auf. »Und du lässt sie auch wirklich nicht allein? Mag ja sein, dass
sie
sich keine Sorgen wegen dieses Kerls macht, ich aber schon.«
»Keine Sorge, ich übernachte auf dem Sofa. Wenn ich auf dem zerschlissenen Ding in der Feuerwache schlafen kann, dann auch hier. Komm, Callie, es ist schon spät. Ich mache dir eine Portion zum Mitnehmen fertig und bringe dich zum Wagen.«
Dann waren sie weg, und es wurde still, bis auf das Tröpfeln. Eve drehte die Lautstärke der Band aus dem Ninth Circle auf. Es war das geringere von zwei Übeln, wenn auch nur knapp.
Erneut durchsuchte sie die Bar nach dem gut aussehenden Avatar, dann wandte sie sich ihrer Liste der gefährdeten Probanden zu. Es waren noch fünf, drei davon Frauen. Rachel Ward, Natalie Clooney und Kathy Kirk. Sie kannte sie nur über die Avatare: Rachel war Tänzerin, Natalie Poker-Queen und Kathy erfolgreiche Maklerin.
Was sie im wahren Leben taten, wusste Eve nicht. Das würde sich nun ändern. Aber zunächst musste sie sich vergewissern, ob sie überhaupt noch da waren. Kathys Avatar saß auf ihrem Stammplatz an der Bar und schien mit Verhandlungen beschäftigt zu sein. Natalie spielte wie immer im Casino, in dem auch Rachel normalerweise tanzte, aber heute war Montag. Montags ging Rachel wie alle andere auch ins Ninth Circle.
Eve sah sich gerade nach Rachel um, als ein Klopfen sie zusammenfahren ließ. Sie stellte den Laptop zur Seite und stand auf, um David einzulassen. »Erinnere mich daran, dass ich dir einen Schlüssel nachmachen lasse.«
Die Worte waren heraus, bevor sie begriff, wer da auf ihrer Fußmatte stand.
Noah Websters Augen waren unter der Hutkrempe schlecht zu erkennen, aber seine belustigte Miene entging ihr nicht. »Sehr gern«, sagte er. »Aber es ist ein wenig zu früh für einen solchen Vertrauensbeweis, meinen Sie nicht?«
Ein verstörendes Prickeln rann ihr über den Rücken. »Ich … ich dachte, Sie wären mein Freund.«
»Das war jetzt kränkend«, erwiderte er sanft. »Ich habe Ihnen ja noch nicht einmal gesagt, warum ich hier bin.«
»Aber so war das doch nicht …« Sie brach ab und sah auf ihre Füße, um sich wieder zu fassen. Als sie aufblickte, musterte er sie auf die für ihn typische Art, die sie so beunruhigte. »Kommen Sie rein.«
Webster nahm den Hut ab, und irgendetwas an dieser Geste rührte sie. »Ich habe Ihren Freund unten gesehen. Callies Wagen springt nicht an. Er prüft gerade den Motor.«
»Callies Kiste ist ein noch größerer Schrotthaufen als meiner. Aber David wird den Fehler schon finden.«
»Ihr Freund kennt sich also mit Autos und Dächern aus?«
»David kennt sich mit allem ein bisschen aus«, sagte sie. »Außerdem ist er Feuerwehrmann. Und er kann kochen.«
»Noch was?«, sagte er pikiert, und sie musste grinsen.
»Ich kenne keine Frau, die ihm widerstehen kann«, sagte
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