Todesstoß / Thriller
seinen Laptop und verband ihn mit dem Empfänger. »Schau her – es ist wie Web- TV . Und sobald die Verbindung zu einer der beiden Kameras abbricht, setzt ein Alarm ein. Tolle Technik, nicht wahr?«
»In einem
Babyfon?
Ich glaub’s einfach nicht.«
»Und alles unter dreihundert Mäuse. Technologie trifft auf elterliche Paranoia.« Er zuckte mit den Schultern. »Und meine Paranoia auch. Ich dachte, es würde Dana ein wenig mehr Ruhe verschaffen bei den ganzen Pflegekindern, die kommen und gehen … Die meisten sind ja nette Kids, aber es muss ja nur einmal eins daherkommen, das weniger nett ist.«
Eves Kehle verengte sich. Er liebte sie immer noch.
Was für eine Verschwendung.
Er besaß ein so gutes, großes Herz. »Großartiger Hintergedanke«, sagte sie heiser. »Ist zwar schon gebraucht, wenn sie es bekommt, aber …«
Er lächelte nicht. »Ich kaufe ihr ein neues. Morgen früh werde ich etwas Unauffälligeres installieren, aber bis dahin wird es auch die pinkfarbene Kamera tun. Eine Frau, die allein lebt, sollte vorsichtig sein. Eine Frau, die allein lebt und Verbindung zu zwei Mordopfern hatte, sollte sich fürchten.«
Allein
traf sie wie ein Pfeil, so dass sie den Rest des Satzes fast nicht mehr mitbekam. »Ich habe eine Pistole.«
»Dann gib sie mir. Wenn heute Nacht jemand durch die Tür kommt, möchte ich darauf vorbereitet sein.«
Ihr war plötzlich kalt. »Du meinst es ernst.«
»Was deine Sicherheit angeht? Und ob. Jetzt trink deinen Kaffee, sonst wird auch der kalt.«
Dienstag, 23. Februar, 00.35 Uhr
Noah betrat leise sein Haus. Während der Heimfahrt hatte er über das Gespräch mit Eve nachgedacht. Ihm war klar, wie schmal die Grenze zwischen Hartnäckigkeit und Belästigung war, und er wollte ihr weder Schmerz noch Stress oder Kummer zufügen. Noch einen Tag zuvor war er entschlossen gewesen, sie vor ihm zu schützen. Aber sie hatte gesagt, dass sie nicht beschützt werden wollte. Das wollte er ihr glauben.
Sie hatte auch gesagt, dass sie gebrochen sei. Das wollte er nicht glauben, aber er verstand es. Er setzte sich auf die Bettkante. Aus Gewohnheit nahm er das Foto in die Hand und erinnerte sich daran, wie gebrochen er sich gefühlt hatte, als er Susan und das Baby verloren hatte.
Und er dachte daran, wie er mit seinem Kummer umgegangen war, und verglich seine Methode mit ihrer. So groß war der Unterschied nicht. Beide hatten sich versteckt, waren vor der Wirklichkeit geflüchtet. Noah hatte sein Heil in der Flasche gesucht, sie in virtuellen Welten. Aber sie hatten sich beide wieder daraus befreit.
Und wozu? Nur um zu arbeiten. Um Unschuldige zu beschützen. Eves Avatar namens Nemesis kam ihm in den Sinn. Er stellte das Foto zurück und begann, sich zum Schlafengehen fertig zu machen. Sie hatte ihm erzählt, dass einige ihrer gefährdeten Probanden Beziehungen in Shadowland eingegangen waren, die vom beiläufigen One-Night-Stand bis zur virtuellen Ehe reichten.
Wie sollte eine vorgetäuschte Beziehung schon so etwas wie Erfüllung bringen? Aber nun musste er an die Beziehungen denken, die er in den vergangenen Jahren gehabt hatte. Sie waren freundschaftlich aber letztendlich hohl gewesen, und irgendwann hatte man sich getrennt, ohne dass es ihm oder der betreffenden Frau besonders nahe gegangen wäre. Er vermisste den Sex und die Tatsache, dass man hin und wieder Mahlzeiten zusammen einnahm, aber darüber hinaus war nichts geblieben.
Auch im wahren Leben konnte man Beziehungen vortäuschen.
Nun, da er in dem leeren Haus auf seiner Bettkante saß, begann er zu verstehen, welche Anziehungskraft eine virtuelle Beziehung hatte. Wenn man einsam war, bedeutete ein Gespräch manchmal mehr als ein Quickie. Er lächelte grimmig. Oder mindestens genauso viel.
Er legte sich in sein leeres Bett, aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Lange Zeit wälzte er sich hin und her, und als er dann endlich einschlief, träumte er wieder. Dieses Mal war es Eve in der Ambulanz, wo Sanitäter sie mit Hilfe von Paddles wieder ins Leben zurückbrachten.
Er schlug die Augen auf und starrte an die Decke. Das war kein Traum gewesen. Er hatte es online in einem Zeitungsarchiv gelesen. Eve war damals gerade noch rechtzeitig von ihrem Vormund, Dana Dupinsky, gefunden worden. Auf dem Weg ins Krankenhaus war es zweimal zum Herzstillstand gekommen, doch beide Male hatte man sie zurückholen können.
Greer, die Hüterin. Der Name nahm eine neue Bedeutung an. Eves Vormund hatte misshandelte Frauen
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