Todesstunde
einen gestohlenen Leihwagen.
Wer klaut Leihwagen? Ein Spinner, lautete die Antwort. Ein sehr ordentlicher und reinlicher Anal-Spinner. Die schlimmste Sorte überhaupt. Und zur Krönung hatte ich mich noch immer nicht davon erholt, dass ich mich auf dem Brooklyn Expressway aus reiner Dummheit beinahe selbst ins Jenseits befördert hätte.
Erst gegen zehn Uhr abends erreichte ich die Ausfahrt zum Breezy Point. Es wurde keine Musik gespielt, als ich vor unserem Strandhaus hielt. Und es warteten keine Margaritas auf mich. Ach, sogar alle Lichter waren ausgeschaltet. Mir fiel ein, dass Mary Catherine heute zu ihrem Abendkurs an der Columbia University gefahren war. Schade.
Doch plötzlich bemerkte ich jemanden auf der Veranda. Mein Sohn Brian, der mit einem Baseballschläger in der Hand hin und her ging. Es sah nicht aus, als übte er damit schlagen.
»Sag nicht, dass wieder was vorgefallen ist«, stöhnte ich.
»Hat dir das niemand erzählt, Dad? Eddie und Ricky sind losgegangen, um Eis zu holen, da haben so ein paar A-Löcher Eier aus einem vorbeifahrenden Auto auf sie geworfen. Und dann, als Jane mit dem Fahrrad einkaufen gefahren ist, hat sie das hier vorgefunden.«
Er holte das Fahrrad, dessen Vorderreifen völlig aufgeschlitzt war.
»Ich werde diesen Jungen umbringen Dad. Das schwöre ich.«
»Und ich werde ihm die Absolution erteilen, wenn er das tut«, kam ihm Seamus, der mit einem Golfschläger die Veranda betrat, zu Hilfe.
Ich stieß kräftig die Luft aus. Trautes Heim, Pech allein.
»Und das Schlimmste ist, dass diese verdammten Flahertys am Sonntag in die Messe gehen«, schimpfte Seamus weiter. »Als würde sie das vor der Hölle schützen. Aber da haben sich diese Heiden ins eigene Fleisch geschnitten. Die Hostie soll ihnen Löcher in ihre Zungen brennen.«
»Es reicht mit dem Kriegsgeheul, ihr streitlustigen Iren«, sagte ich. »Brian, hör zu. Ich weiß, du bist sauer, aber wir müssen die Sache schlau angehen. Wenn du dich dazu verleiten lässt, diesen Deppen zusammenzuschlagen, bist du derjenige, der im Knast landet.«
»Vielleicht sollten wir lieber auf Bridget hören«, räumte Brian ein und ließ das demolierte Fahrrad fallen. »Vielleicht sollten wir einfach abhauen, weil unsere Ferien immer bescheuerter werden.«
Ich hob das Fahrrad wieder auf und brachte es in die Garage, wo ich das Vorderrad abmontierte und die Regale nach dem Flickzeug absuchte.
»Er hat recht«, stimmte Seamus zu, der hereinkam, als ich Gummilösung auf den ersten Schlitz auftrug.
»Womit?«, fragte ich.
»Diese Ferien werden immer bescheuerter.«
35
Nachdem ich das Fahrrad repariert hatte, trat ich meinen Wachdienst an und setzte mich auf die Hollywood-Schaukel, in der Hand einen Plastikbecher mit billigem Rotwein. My Summer of Love, Teil 2, war das nicht gerade.
»Horch, wer kommt von draußen rein?«, fragte ich, als ich Mary Catherine auf der Treppe hörte. Sie sah in ihren engen Jeans und dem Oberteil mit Leopardenmuster einfach umwerfend aus.
»Müssen wir uns jetzt schon mit Waffen verteidigen? Ist es so schlimm?«, fragte sie, legte ihre Laptop-Tasche zur Seite und setzte sich mit ihren langen Beinen neben mich.
Ich schenkte meinem Kindermädchen einen Becher Malbec ein und reichte ihn ihr. »Schlimmer«, sagte ich.
»Schlafen die anderen schon?«
»Zumindest tun sie so. Alle bis auf den Großen.«
»Brian?«
»Nein, ich rede von Vater Nervensäge. Er war draußen, um sein, ich zitiere, ›aufgewühltes Gemüt mit ein paar Bier zu besänftigen‹. Selbst die Heiligen saufen heute Abend«, sagte ich und stieß mit ihr an.
»Habt ihr inzwischen Fortschritte mit dem Bombenkerl gemacht?«, erkundigte sie sich und schleuderte ihre Schuhe von den Füßen. »Meine Mitstudenten sind schon völlig übergeschnappt. Die Hälfte kam heute nicht zur Prüfung. Sie haben dem Professor gesagt, sie hätten zu viel Angst, um mit dem Zug zu fahren.«
»Schlau«, erwiderte ich. »Vielleicht solltest du ihrem Beispiel folgen. Wenn dieser Farbcode noch gilt, würde ich sagen, wir haben Orange, Dunkelorange.«
»Ich bin schon ein großes Mädchen, Mike. Ich kenne mich in der Stadt mittlerweile aus und kann auf mich aufpassen.«
»Das weiß ich, aber wenn dir was passiert, wer wird dann auf mich aufpassen?«, gab ich zu bedenken.
Ein Weile schaukelten wir vor und zurück, unterhielten uns und tranken. Sie erzählte mir ein paar lustige Geschichten über ihre Sommerferien mit ihrer großen Familie, als sie noch ein
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