Todesstunde
kleines Mädchen in Tipperary gewesen war. Trotz meines harten Tages konnte ich mich langsam entspannen.
Ich weiß nicht mehr, wer angefangen hat zu küssen. Eine Zeitlang hielten wir einander nur fest und lauschten dem zwei Straßenblocks entfernten Meeresrauschen. Das Meer war an diesem Abend unheimlich laut. Die ersten Wirbelstürme in dieser Saison zogen die Ostküste von Florida herauf, hatte ich im Radio gehört.
In dem Moment fiel mir noch etwas anderes ein: Nicht nur die Wirbelstürme zogen Richtung New York.
Warum hatte ich Emily Parker gesagt, sie solle herkommen?, überlegte ich, während Mary Catherine mein Hemd aufknöpfte. Weil sie eine erfahrene Polizistin war? So ein Quatsch. Emily war hübsch, und ich mochte sie. Doch Mary Catherine war auch hübsch, und auch sie mochte ich.
Eins führte zum anderen, und nach einer Weile fand sich meine Hand hinten unter ihrem Oberteil wieder. Plötzlich zog sich Mary Catherine zurück und richtete sich auf.
»Dunkelorange«, sagte sie.
Sie hatte recht. Wir beide wussten, dass wir uns auf der Schwelle zu etwas Wunderbarem oder Schrecklichem befanden. Keiner von uns wusste, wie wir damit umgehen sollten.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»Sag du es mir.«
»Du bist so irisch, Michael.«
»Hm, technisch gesehen, bin ich irisch-amerikanisch.« Ich zog sie wieder zu mir heran und küsste ihre heißen, weichen Lippen.
Jemand räusperte sich lautstark.
Ich weiß nicht, wer höher sprang, Mary oder ich. Ketten rasselten, als wir beinahe die Hollywood-Schaukel aus den Angeln hoben.
Seamus kam von einem Ohr zum anderen grinsend die Veranda herauf.
»Und wie war dein Unterricht heute Abend, Mary Catherine? Ich meine deinen Kunstunterricht, wenn ich fragen darf?«
»Ganz gut, Seamus. Au weia, ist das schon spät. Ich habe morgen viel zu tun. Gute Nacht.« Mit diesen Worten hechtete sie ins Haus und ließ mich im Stich.
Seamus blickte voller Verachtung auf mein offenes Hemd. »Michael Sean Aloysius Bennett, was im Namen des Herrn tust du da? Und sag nicht, du würdest dich hier sonnen«, drohte Seamus.
»Ich … ich gehe ins Bett, Vater«, sagte ich und knallte das Fliegengitter mit voller Wucht zu. »Es war ein langer Tag. Nacht.«
36
Am nächsten Morgen wachte ich besonders früh auf.
Aber nicht, um dem Berufsverkehr zuvorzukommen. Eher wahrscheinlich war, dass ich mich nach der fraglichen gegenseitigen Mandeluntersuchung mit Mary Catherine am Abend zuvor heimlich aus dem Staub machen wollte.
Und nachdem ich wahrscheinlich einige Gesetze bezüglich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gebrochen hatte, wusste ich wahrscheinlich nicht, wie ich meine sich widersprechenden Gefühle auf die Reihe bekommen sollte. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich Mary Catherine am helllichten Tag sagen sollte. Und auf keinen Fall wollte ich einer weiteren Inquisition von Seamus zum Opfer fallen.
Rotwein bringt mich immer in Schwierigkeiten. Nein, Quatsch, eher mein großes Mundwerk.
Als ich mich auf Zehenspitzen, die Schuhe in der Hand, hinausschlich, bemerkte ich ein seltsam bläuliches Licht unter der Tür des Mädchenschlafzimmers. Ich wusste, ich sollte weitergehen und die Schuldigen ihren schändlichen Gerätschaften überlassen, doch der Polizist in mir konnte einer gerechtfertigten Razzia nicht widerstehen.
Ich lenkte meine Zehenspitzen zum Mädchenzimmer zurück. Das Licht drang unter einem sich verdächtig bewegenden Bettlaken auf dem Bett in der Ecke hervor. Und es wurde verdächtig viel geflüstert.
»Was ist hier los?«, fragte ich und riss das Laken wie ein Zauberer nach oben.
Was ich zu sehen bekam, war kein Hase, aber trotzdem ziemlich hübsch.
»Ahh!«, schrien Chrissy und Shawna im Chor. Sie lagen vor einem Laptop auf dem Bauch.
»Ein Computer?« Ich schlug mir in gespieltem Entsetzen mit der Hand gegen die Stirn. »Ihr habt einen Rechner in unser Sommerhaus geschmuggelt? Und sind das etwa Phineas und Ferb auf dem Bildschirm? Kein elektronisches Spielzeug! Keine Videospiele! Kommt euch diese Abmachung vertraut vor?«
Shawna deutete hektisch zum Zimmer der Jungs. »Das war Ricky.«
»Das stimmt. Der gehört Ricky. Wir haben ihn nur geliehen«, stimmte Chrissy ein.
»Was ist hier los?«, flüsterte plötzlich Mary Catherine, die gähnend an der Tür stand.
Äh, ich weiß, ich hätte schon längst weg sein sollen. Nun waren nicht nur die Mädchen überführt.
»Es tut uns so leid, Mary«, sagte Chrissy.
»Ja, es tut uns so leid«, fügte Shawna
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