Todestanz
ihrem Fenster, eine schwarze Kapuzenjacke über der blau-roten Uniform.
»Ich muss zum Zug«, sagte Pearl. »Der geht sonntags so gut wie gar nicht.«
»Wir können uns unterhalten, während ich Sie zum Bahnhof fahre.«
Clare fuhr aus dem Parkplatz auf die Main Road.
»Von welchen Akten reden Sie da, Doc?«
»Von denen, die Sie bei mir zu Hause abgeliefert haben«, sagte Clare.
»Das war ich nicht, Doc«, beteuerte Pearl. »Auf Ihre Seite des Bergs gehe ich nicht. Da halten mich zu oft die Bullen auf.«
»Wer war es dann?«, fragte Clare. »Und warum?«
»Vielleicht wollte jemand Sie auf eine falsche Fährte schicken.« Pearl lieà ein zahnlückiges Grinsen aufleuchten. »Sie sehen doch fern. Die Bullen im Fernsehen machen so was ständig.«
»Und wozu?«
»ScheiÃe, was weià ich, Doc? Bullen sind eben so. Wenn Sie auf meiner Seite der Gleise leben würden, hätten Sie die Bullen schon ganz anders erlebt. Selbst Ihren netten Captain Faizal. Für Leute wie mich gelten die Gesetze nicht. Worum ging es in den Akten denn?«
»Drogenrazzien«, sagte Clare.
»Also, wenn man es rauchen kann, kann man es auch auf den Flats verkaufen«, stellte Pearl fest. »Wissen Sie schon, was das mit Yasmin zu tun haben soll?«
»Im Umschlag lag ein Gummizug. Rosa. Von Yasmin, nehme ich an.«
»Kann sein«, sagte Pearl. »Aber in jedem Haus mit einer Nähmaschine liegt auch irgendwo ein Gummizug herum.«
»Stimmt.« Sie hielten an der Ampel vor den Arderne Gardens, wo sie sich am vergangenen Nachmittag getroffen hatten.
Eine Vierzehnjährige im Minirock und hohen Stiefeln schaukelte auf der Stange des Bushäuschens. Ein Wagen mit zwei Frauen war ihr nicht einmal einen Blick wert.
»Hat das Mädchen von den 27ern irgendwas gewusst?«
»Nicht wirklich.« Pearl fuhr das Fenster einen Spalt weit nach unten und zündete sich eine Zigarette an. »Entschuldigung, Doc. Aber ich muss einfach eine rauchen. Es war ein langer Tag.«
»Kein Problem«, sagte Clare. »Man könnte meinen, inzwischen rauchen alle auÃer mir. Glauben Sie, Voëltjie Ahrend weià etwas?«
»Schwer zu sagen, was Voëltjie weià und was nicht.«
»Haben Sie irgendwas gehört?«, fragte Clare.
»Wissen Sie, manchmal ist es gar nicht so schlecht, eine Frau zu sein. Das macht uns unsichtbar. Die Typen reden einfach weiter, als wären wir nicht da.«
»Und was vermuten Sie?«, fragte Clare.
»Voëltjie hat fürs Wochende was GroÃes geplant. Er ist nicht blöd. Er will nicht ausgerechnet jetzt ins Scheinwerferlicht geraten.«
»Und was hat er geplant, Pearl?«
»Irgendeinen Deal. Die Sache macht Voëltjie nervös, op sy senuwees.«
»Läuft irgendwas schief?«
»Ich habe versucht, das rauszufinden. Und ich habe ein paar stompies aufgeschnappt. Es hört sich so an, als wäre ein Haufen Geld im Spiel. Es ist Ware verschwunden, die er eigentlich verkaufen sollte. Er wurde für irgendwas nicht bezahlt, und das missfällt jemandem weiter oben in der Kette.«
»Aber was das war, wissen Sie nicht?«, fragte Clare.
»Doc, haben Sie jemals diesen Maorifilm gesehen, Die letzte Kriegerin?«
»Allerdings«, sagte Clare. »Was hat das damit zu tun?«
»âºMach die Beine breit und halt den Mund.â¹ Das sagt im Film so eine Schlampe zu ihrer Freundin, der sie die ScheiÃe aus dem Leib geprügelt haben. Hier ist es genauso. Wenn ich anfange, Fragen zu stellen, werden sie auf mich aufmerksam. Dann werde ich moered , und was hilft das Yasmin?«
»Okay, Pearl, schon kapiert.«
»Sie müssen also zuhören und abwarten«, sagte Pearl. »Und Sie brauchen mich gar nicht so anzusehen, Doc. Glauben Sie, ich weià nicht, wie scheiÃdringend es ist?«
»Okay«, wiederholte Clare. »Es gibt also diese Drogenfälle und ein Geldproblem. Aber wie sollte Yasmins Entführung Ahrends Geldprobleme lösen?«
»Kein Bulle wird je so viel Geld besitzen, wie Voëltjie braucht«, sagte Pearl. »Und es klingt auch nicht so, als sollte sie irgendwohin verkauft werden. Ich habe eher das Gefühl, die ganze Sache war eine freie Arbeit. Vielleicht war es jemand Neues, der versucht, Voëltjie das Leben schwer zu machen. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist Voëltjie dadurch wieder ins Blickfeld gerückt,
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