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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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einwandfreien Blutbild sterben zu müssen.
    Maura ging weiter zu Kabine 10, wo die Patientin gerade zum letzten Mal gewaschen wurde. Vom Fußende des Bettes sah sie zu, wie die Krankenschwester das Laken zurückschlug und Ursula den OP-Kittel auszog. Es war nicht der Körper einer Asketin, den sie da erblickte, sondern der einer Frau, die gerne gut und reichlich gegessen hatte. Ihre üppigen Brüste hingen seitlich herab, ihre Oberschenkel mit der weißen, von Zellulitis eingedellten Haut waren massig. Im Leben war sie gewiss eine Respekt heischende Erscheinung gewesen, mit ihrer kräftigen Statur, die durch die wallende Ordenstracht noch imponierender gewirkt haben musste. Jetzt aber, ohne diese Gewänder, war sie wie jede andere Patientin. Der Tod macht keine Unterschiede zwischen den Menschen; ob Heilige oder Sünder, am Ende sind sie alle gleich.
    Die Schwester wrang den Waschlappen aus und wusch Ursula den Oberkörper, bis die Haut überall feucht glänzte. Dann wandte sie sich den Beinen zu und beugte die Knie der Patientin, um auch die Waden säubern zu können. Die Schienbeine waren mit alten Narben bedeckt, den unschönen Folgeerscheinungen entzündeter Insektenstiche, Souvenirs ihrer Auslandsaufenthalte. Als sie ihre Arbeit beendet hatte, nahm die Krankenschwester die Waschschüssel und ließ Maura mit der Patientin allein.
    Was hast du gewusst, Ursula? Was hättest du uns sagen können?
    »Dr. Isles?«
    Sie drehte sich um und erblickte Dr. Sutcliffe. Sein Blick war weitaus misstrauischer als bei ihrer ersten Begegnung. Von dem freundlichen Hippie mit dem Pferdeschwanz war nichts mehr zu spüren.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie vorbeikommen wollten«, sagte er.
    »Dr.Yuen hat mich angerufen. Unser Institut wird den Leichnam in Verwahrung nehmen.«
    »Wieso? Die Todesursache ist doch ziemlich offensichtlich. Sie müssen sich nur ihr EKG anschauen.«
    »Es ist nun mal Vorschrift. Wir werden immer eingeschaltet, wenn eine Straftat vorliegt.«
    »Nun, ich finde trotzdem, dass das in diesem Fall eine Verschwendung von Steuergeldern ist.«
    Sie ignorierte seine Bemerkung und sah Ursula an. »Ich nehme an, Sie haben mit der Familie über die Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen gesprochen?«
    »Der Neffe hat seine Einwilligung gegeben. Wir warten nur noch auf den Geistlichen. Ihre Mitschwestern haben darum gebeten, dass Pater Brophy dabei ist.«
    Sie sah zu, wie Ursulas Brust sich im Rhythmus des Beatmungsgeräts hob und senkte. Das Herz schlug weiter, die Organe funktionierten nach wie vor. Man hätte Ursula Blut abnehmen und es ins Labor schicken können, und keiner der Tests, die dort mit all den hochmodernen Apparaten und Verfahren durchgeführt wurden, hätte erkennen lassen, dass die Seele dieser Frau den Körper bereits verlassen hatte.
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die letzten Eintragungen in die Patientenakte und den Totenschein an mein Büro weiterleiten könnten.«
    »Dr. Yuen wird das Ganze diktieren. Ich sage ihm Bescheid.«
    »Und auch alle Laborwerte, die Sie noch hereinbekommen.«
    »Die müssten schon in der Patientenakte sein.«
    »Die Ergebnisse des Toxikologie-Screenings fehlen noch. Es ist doch gemacht worden, oder?«
    »Davon gehe ich aus. Ich werde beim Labor nachfragen und Ihnen die Ergebnisse telefonisch durchgeben.«
    »Das Labor soll den Bericht direkt an uns schicken. Wenn kein Screening gemacht wurde, müssen wir es im Institut nachholen.«
    »Machen Sie etwa bei allen Verstorbenen Tox-Screens?« Er schüttelte den Kopf. »Klingt mir wieder mal nach Verschwendung von Steuergeldern.«
    »Wir machen das nur, wenn es angezeigt erscheint. Ich denke da an die Quaddeln, die ich entdeckt habe, in der Nacht, als sie den Herzinfarkt hatte. Ich werde Dr.Bristol bitten, das Screening durchzuführen, wenn er sie obduziert.«
    »Ich dachte, das würden Sie selbst machen?«
    »Nein, ich werde diesen Fall an einen meiner Kollegen abgeben. Wenn Sie nach den Feiertagen noch irgendwelche Fragen haben sollten, wenden Sie sich bitte an Dr. Abe Bristol.«
    Sie war erleichtert, als er nicht nachfragte, wieso sie die Autopsie nicht selbst durchführte. Was hätte sie darauf antworten sollen? Mein Exmann zählt neuerdings zu den Verdächtigen in diesem Mordfall. Ich kann auch nicht den geringsten Zweifel aufkommen lassen, dass ich es bei der Autopsie an Genauigkeit und Gründlichkeit habe mangeln lassen.
    »Der Geistliche ist da«, sagte Sutcliffe. »Dann ist es wohl so weit.«
    Maura blickte

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