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Todtstelzers Krieg

Todtstelzers Krieg

Titel: Todtstelzers Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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sich gegenseitig die Nasen oder zogen sich an den Ohren. Andere Spielzeuge hoben die achtlos weggeworfenen Instrumente
auf und spielten ein ganz neues Willkommenslied; doch schon
bald ging die Melodie im lauter werdenden Jubel unter, während die Menschen näher und näher kamen.
Inzwischen lachte jeder der Menschen auf die eine oder andere Art und Weise, selbst Giles Todtsteltzer. Reineke Bär und
der Seebock hatten sich von ihren Sitzen erhoben und winkten
der Menge triumphierend zu. Jede nur denkbare Form von
Spielzeug hatte sich auf dem Bahnsteig eingefunden, von alten,
herkömmlichen Dingen bis hin zum neuesten Schrei war alles
zu sehen, womit Kinder so gerne spielten: Keine Kriegsspielzeuge, keine pädagogischen Spielzeuge, nichts Gefährliches
oder Kompliziertes. Sie stritten untereinander, um einen besseren Blick zu haben, und sie lachten und jubelten, und die Menschen erwiderten das Winken – sie konnten nicht anders.
Es gab dicke pelzige Tiere aller Größen und Formen. Einige
beruhten auf tatsächlich existierenden Spezies; andere hätten in
Wirklichkeit niemals existieren können. Es gab alle möglichen
Arten von Puppen in Kleidern mit geschminkten Gesichtern
und freundlichem Lächeln. Cowboys und Indianer standen
friedlich nebeneinander. Figuren aus den Zeichentrickholos
hüpften begeistert auf und ab wie in ihren Filmen. Und alle
ohne Ausnahme schienen so unendlich glücklich, wieder Menschen zu sehen, daß es kaum auszuhalten war. Finlay lächelte
und winkte, doch er hielt die andere Hand ständig in der Nähe
seines Disruptors. Spielzeuge wie diese dort hatten sich erhoben und ihre menschlichen Herren in einer einzigen dunklen
Nacht des Blutes und der Vergeltung niedergemetzelt. Finlay
fragte sich unablässig , ob diese freundlichen, hellen Mienen
nicht das letzte gewesen waren, das einige Menschen unmittelbar vor ihrem Tod gesehen hatten. Und wenn ein Verdacht wie
dieser bedeutete, daß in ihm kein Platz mehr war, um wieder
Kind zu sein – schön, damit konnte er verdammt noch mal leben. Finlay Feldglöck hatte auf die harte Tour gelernt, niemandem mehr zu vertrauen.
Schließlich kam der Zug in einer Dampfwolke zum Stehen.
Das wüste Willkommen erstarb, als der Dampf sich langsam
auflöste, und respektvolles Schweigen breitete sich über dem
gesamten Bahnsteig aus. Die dicht gedrängte Menge starrte
neugierig auf die Menschen. Reineke Bär und der Seebock
kletterten aus ihrem Waggon und warfen sich in Positur. Sie
fingen beide gleichzeitig an zu reden, unterbrachen sich und
funkelten sich gegenseitig an. Der Bär zeigte zum Himmel hinauf, und als der Seebock hochsah, trat er ihm auf den Fuß. Der
Seebock heulte auf und hüpfte auf einem Bein umher, während
er sich mit beiden Händen den verletzten Fuß hielt. Reineke
Bär begann seine Ansprache noch einmal von vorne. Er redete
laut genug, um das Geheul des Seebocks zu übertönen.
Die Menschen lauschten in freundlichem Staunen. Sie deuteten Reinekes Worte dahingehend, daß er eigentlich eine Willkommensansprache halten wollte, doch seine Rede war so
durchsetzt von mythologischen Verweisen auf die Menschheit
und ihre gottgegebene Fähigkeit, die Dinge ins Lot zu bringen,
daß sie am Ende eher wie ein Gebet um Erlösung klang. In
Evangeline wuchs die Erkenntnis, daß die Spielsachen sie als
Retter betrachteten. Die Menschen wurden die bösen Spielzeuge besiegen und alles wieder so einrichten, wie es früher einmal gewesen war. Sie wußten nicht, daß diese Menschen hier
nur aus einem einzigen Grund gekommen waren: nämlich weil
sie einen ihrer Artgenossen suchten, und daß sie hinterher wieder gehen würden. Evangeline fragte sich, was geschehen würde, wenn die Spielzeuge die Wahrheit herausfanden, und ihr
wurde bewußt, daß es vielleicht besser war, wenn sie es nicht
erfuhren. Sobald sich eine Gelegenheit ergab, würde Evangeline mit den anderen darüber reden müssen.
Schließlich war der Bär mit seiner Rede fertig. Er wechselte
noch einen wütenden Blick mit dem Seebock und winkte dann
den Menschen auszusteigen. Sie kletterten mit soviel Würde
und Eleganz aus den Waggons wie nur irgend möglich. Die
Spielsachen applaudierten frenetisch und verstummten wieder,
während sie darauf warteten, daß einer der Menschen das Wort
ergriff. Die Rebellen schauten sich ratlos an, und eine Atmosphäre atemloser Spannung entstand. Schließlich räusperte sich
Finlay und durchbrach das Schweigen.
»Vielen Dank

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