Todtstelzers Krieg
keinen Ort, wohin man fliehen konnte. Falls Nebelhafen fallen und das Imperium einmarschieren würde, würde man ihn auf jeden Fall hängen, schon allein aus Prinzip.
Außerdem hielt ihn, wie schon viele Male zuvor, sein Pflichtgefühl an einer Stelle fest, wo Mut allein nicht reichte. Er
schuldete Nebelhafen eine Menge, und Silver war ein Mann,
der seine Schulden beglich. Die Linie der Verteidiger stieß
plötzlich ein paar Fuß vor, nutzte irgendeinen momentanen
Vorteil, und Silver mußte aufpassen, wohin er trat. Der Boden
war mit Leichen und Verletzten übersät. Silver erkannte einige
Gesichter, doch er verdrängte jeglichen Gedanken daran. Es
gab nichts außer dem Kampf, dem Klirren von Klinge an Klinge, und dem sicheren Wissen, daß er irgendwann fallen mußte.
Und dann waren plötzlich Verstärkungen da und hämmerten
auf die Angreifer ein wie die Antwort auf ein Gebet. Kriegsschreie von einem Dutzend verschiedener Welten und Kulturen
erfüllten die Luft, als die frischen Kräfte die Angreifer Schritt
um Schritt zurückwarfen.
Der Todtsteltzer war da, und er war bereits voller Blut und
sah aus wie der Tod auf zwei Beinen. Hazel d’Ark kämpfte
neben ihm, und sie führte ihre Klinge mit vernichtender Kraft
und Schnelligkeit. Albert Magnus vom Rat der Stadt, in der
vordersten Reihe – ein staubiger grauer Mann mit einem
Schwert in jeder Hand, unüberwindlich wie eine Naturgewalt.
Und als Anführer des Gegenangriffs: Jakob Ohnesorg, der legendäre Rebell. Groß und imposant in seiner silbernen Kampfrüstung, das Gesicht vertraut von Hunderten von Fahndungsplakaten, und die Wildheit seiner Klinge trieb die Angreifer in
die Flucht . Ohnesorgs Klinge war schnell und tödlich, und
niemand vermochte ihn aufzuhalten.
Silver lachte lautlos und kämpfte mit neu gewonnener Kraft
in den Armen weiter. Vielleicht würde er heute ja doch noch
nicht sterben. Er zog eine kleine Phiole aus dem Ärmel und
trank die darin verbliebene restliche schwarze Flüssigkeit mit
einem Schluck. Es war das letzte Wampyrblut, aber die Chancen standen nicht schlecht, daß die Schlacht vorüber war, bevor
die Wirkung nachließ – auf die eine oder andere Weise. Also
was zur Hölle!
Owen Todtsteltzer kämpfte in der vordersten Linie und trotzte den Imperialen Truppen. Niemand kam an ihm vorbei. Er
hatte erneut den Zorn heraufbeschworen, und er fühlte sich
jetzt stärker als je zuvor, weil er mit Hazel verbunden war. Irgendwie wußte er, daß die Nebenwirkungen diesmal nicht zu
einem Problem werden würden. Zusammen mit Hazel waren
sie beide weit mehr als die Summe ihrer Teile, mehr als einfach
nur Menschen. Er schlug und stieß mit unüberwindlicher Kraft
auf den Gegner ein und durchbrach jede noch so verzweifelte
Abwehr mit verächtlicher Leichtigkeit. Männer fielen schreiend zu allen Seiten und erhoben sich nicht wieder. Blut spritzte
von Owens zischender Klinge, und er grinste wie ein hungriger
Wolf, der Beute gewittert hatte, jeder einzelne Zoll der Krieger,
der er niemals hatte sein wollen.
Hazel d’Ark kämpfte an Owens Seite. Sie schwang das
Schwert in kurzen, brutalen Kreisen, und es schnitt durch
Fleisch und Knochen wie das Beil eines Schlächters. Blut besudelte ihre Kleidung, doch es war nicht ihr eigenes. Blut
durchnäßte ihren Schwertarm bis zum Ellbogen hinauf, und die
Schreie der Verwundeten und Sterbenden klangen wie Musik
in ihren Ohren.
Hazel hatte immer eine Schwäche für Nebelhafen gehabt. Ihr
hatte die Vorstellung gefallen, daß sie immer zur Nebelwelt
zurückkehren konnte und dort aufgenommen werden würde,
gleichgültig, wo sie sich gerade befand oder was sie gerade tat.
Für Hazel kam die Nebelwelt einer Heimat am nächsten. Und
jetzt wollte das Imperium ihr diese Heimat nehmen, genau wie
die vielen anderen Dinge, die es ihr im Verlauf der Jahre genommen hatte. Hazel wollte verdammt sein, wenn sie der Eisernen Hexe diesen letzten Sieg erlauben würde. Nicht, solange
sie noch atmete und Stahl in der Hand hielt.
Ihre Verbindung mit Owen war sehr stark. Sie spürte seine
Gegenwart an ihrer Seite, stark und zuverlässig wie stets. Eine
andere Gegenwart drängte sich in Hazels Bewußtsein, und
plötzlich war ein vertrauter Geruch in ihren Nüstern, stark und
verlockend. Hazel blickte zur Seite, und nicht weit von ihr
stand John Silver. Er kämpfte wie ein Besessener, mit weit
aufgerissenen Augen und einem Grinsen wie ein Wahnsinniger. Silver war auf Blut. Hazel
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