Todtstelzers Schicksal
sah sie einfach keinen Sinn
mehr darin, sich weiter zu verausgaben. Dort, wohin sie gehen
würde, brauchte sie ihre Kraft noch.
In Ordnung. Ich muss es halt allein tun. Die wichtigsten Dinge in meinem Leben musste ich schon immer allein tun.
Sie nahm sich einige Augenblicke Zeit, um von ihrem Leben
Abschied zu nehmen. Sie hatte immer gehofft, dass es letztlich
auf mehr hinauslaufen würde als eine falsche Heilige und eine
Heldin der Rebellion, an die sich die meisten Menschen
scheinbar nicht erinnern wollten. Oh, man hatte ihre Rolle in
ein paar Holofilme eingearbeitet, die von der Rebellion und
ihren Helden handelten, aber sie erkannte sich selbst nicht wieder in der rätselhaften Hexenmeisterin oder absoluten Psychopathin, als die sie dargestellt wurde. Teilweise schienen sich
die Autoren nicht sicher, auf welcher Seite Diana überhaupt
gekämpft hatte. Aber andererseits war Johana Wahn für die
meisten Geschmäcker immer ein bisschen zu extrem gewesen.
Gern hätte sie erlebt, wie es war, wenn man Liebhaber,
Freunde, eine Familie hatte, aber dazu hatte die Zeit nie gereicht. Sie hatte Pflichterfüllung erfahren und zuzeiten Ehre,
aber nur wenige Freunde und niemals die Liebe oder einen
Geliebten. Sie ängstigte andere Menschen. Sie schenkte ihrer
Sache so viel, nur um letztlich zu erkennen, dass sie ihrer Hingabe nicht wert gewesen war.
Wenigstens hatten ihr die Elfen eine Statue errichtet.
Also; es wurde Zeit, sich dem Unmöglichen zu stellen, das
Monster niederzuringen und wie schon so oft ihr Leben und
ihre geistige Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Wieder mal allein gegen einen machtvollen Feind, während andere, die ihr
sonst vielleicht geholfen hätten, eigenen Wegen folgten. Das
Übliche für Diana Vertue. Sie rief erneut die alte Berserkerwut
und Leidenschaft der Johana-Wahn-Persönlichkeit wach und
tauchte tief ins eigene Bewusstsein, an den schimmernden Säulen bewusster Gedanken hinab, hinein in die dunklen und unerforschten Regionen des Geistes – das Unterhirn. Ein scherzhafter Teil ihrer Selbst zeigte ihr ein helles Neonschild, Lasst alle
Hoffnung fahren, ihr, die ihr hier eintretet , und dann hatte sie
die Außenwelt hinter sich gelassen und tauchte ein in die dunklen Wunder und Mysterien des innersten Geistes das Gesicht
hinter der Maske, den Ort, den normale Menschen nicht aufsuchen konnten. Das Unterhirn.
Die meisten Leute hatten keine Ahnung, was das Unterhirn
war, obwohl ein paar mit dem Begriff hausierten, als wüssten
sie es. Die meisten Menschen benutzten nur einen kleinen Teil
ihres Gehirns, riefen nur einen Bruchteil dessen ab, was es zu
leisten vermochte. Das Espergen erlaubte es manchen Menschen, tiefer als andere ins eigene Bewusstsein hinabzutauchen
und die Kräfte zu nutzen, die sie dort fanden. Telepathie, Pyrokinese, Präkognition. Andere, wie die Überlebenden des Labyrinths , deren Bewusstsein von äußeren Kräften gewaltsam geöffnet worden war, hatten sogar Zugriff auf seltsamere und
wundersamere Fähigkeiten. Diana hatte die Vorstellung vom
Unterhirn in ihrer Zeit im Esper-Gildenhaus studiert, wo sie auf
der Suche nach Wissen unermüdlich die enormen Datenbanken
durchforstete. Die Esper erforschten sich selbst schon fast so
lange, wie sie überhaupt existierten, und sie hatten viel darüber
herausgefunden, wer und was sie waren, das meiste davon beunruhigender Natur. Der größte Teil dieses Wissens war nie
zur Veröffentlichung freigegeben worden, nicht einmal innerhalb der Esper-Gemeinschaft, und vieles wurde sogar aktiv
unterdrückt, wofür zahlreiche Gründe vorlagen. Zum Teil lag
es daran, dass die Normalen, sollten sie dieses Wissen je in
Erfahrung bringen, es nur dazu benutzt hätten, um ihre EsperSklaven besser zu lenken. Und zum Teil war es die Mater
Mundi , die dafür sorgte, dass manche Dinge vergessen wurden,
damit niemand je ihre wahre Natur durchschaute.
Das größte Geheimnis überhaupt bestand vielleicht darin,
dass der menschliche Geist zu viel mehr fähig war, als sich
sowohl die Normalen wie die Esper je erträumt hätten. Jeder
konnte den Überlebenden des Labyrinths gleich werden, falls
er nur Zugriff erlangte auf die Geheimnisse des Unterhirns.
Auf all diese graue Materie und Potenziale, die nie genutzt
wurden. Diana hatte das alles niedergeschrieben und in einer
Datei versteckt, die nicht leicht zu finden war. Damit das, was
Diana Vertue erfahren hatte, womöglich überlebte, selbst wenn
die Mater Mundi
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