Todtstelzers Schicksal
mit Fußtritten aus dem Weg beförderten. Rubys Gedanken
überschlugen sich, während sie einen Plan nach dem anderen
austüftelte und mit wachsender Verzweiflung jeden wieder
verwarf, bis sich eine letzte Möglichkeit förmlich von selbst
aufdrängte. Für Ruby bedeutete denken gleich handeln, und sie
legte ihre übermenschliche Kraft in eine Parade, mit der sie das
Schwert des Wolfs wegschlug. Und als er für einen Moment
aus dem Gleichgewicht und schutzlos war, packte Ruby das
eigene Schwert mit beiden Händen und holte zu einem weiten,
unaufhaltsamen Schwung aus. Die schwere Stahlklinge fuhr
glatt durch Valentins Hals. Der Kopf kippte nach hinten, immer noch den letzten erschrockenen Ausdruck im Gesicht, und
Blut spritzte aus dem Halsstumpf an die niedrige Decke.
Ruby senkte das Schwert und lehnte sich schwer atmend darauf. Es war lange her, seit sie zuletzt in einem Kampf dermaßen gefordert worden war. Schweiß lief ihr übers Gesicht und
brannte ihr in den Augen. Valentins Kopf rollte langsam über
den Boden, bis er an eine Kiste mit Granaten stieß. Und erst in
diesem Augenblick fiel Ruby auf, dass der kopflose Körper
keinerlei Anstalten traf zu stürzen. Er stand breitbeinig da,
nach wie vor Ruby zugewandt, immer noch das Schwert in der
Hand. Die Brust arbeitete weiter, und Ruby hörte den Atem im
offenen Hals blubbern. Ihre Nackenhaare standen so steif, dass
es fast schmerzte, und eine Gänsehaut lief über ihre Arme, als
die kopflose Gestalt sich ohne Eile umdrehte, bückte und den
eigenen Kopf aufhob. Ein Arm hielt ihr den Kopf entgegen,
damit sie sehen konnte, dass er lächelte und die Augen hell und
wach und wissend wirkten. Dann setzte Valentin sich den Kopf
wieder auf den Hals. Innerhalb einer Sekunde stoppte die Blutung und verschwand die Wunde. Valentin Wolf war wieder
komplett und sehr lebendig.
»Schön, wieder da zu sein«, sagte er gelassen. »Habt Ihr
mich vermisst?«
Ruby wartete nicht auf Weiteres. Sie rief ihr Feuer wach, jagte die nächststehende Kiste mit Sprengstoff hoch, warf sich
durch die offene Garagentür nach draußen und wälzte sich zur
Seite, zu einer Kugel zusammengerollt und die Hände auf die
Ohren gedrückt. Der komplette Sprengstoff ging schmerzhaft
laut hoch, und ein Feuersturm und heiße Gase schossen zur Tür
heraus, dicht genug an Ruby, um ihre Kleider und ihr Haar
anzusengen. Der Boden wackelte unter ihr, als weiterer
Sprengstoff explodierte. Sie rappelte sich auf und rannte so
schnell davon, wie die Beine sie trugen. Hinter ihr stand die
ganze Garagenreihe in Flammen, die hoch in den Nachthimmel
hinaufschossen, begleitet vom lauten Rumpeln einstürzender
Mauern. Ruby hatte keine Ahnung, wie lange die Nanos brauchen würden, um den Wolf wieder zusammenzusetzen, oder
wie er danach aussehen würde, aber sie wusste ganz genau,
dass ihre Neugier nicht ausreichte, um zu warten und es sich
anzuschauen. Es war lange her, seit sie zuletzt aus einem
Kampf geflüchtet war, aber das Überleben zählte mehr als die
Ehre, und außerdem bezahlte niemand sie dafür, Valentin Wolf
zu töten. Ihre Aufgabe bestand darin, Jakob Ohnesorg zu finden, und sie wusste inzwischen, dass er sich nicht in der Garage aufhielt. Ruby schnitt ein finsteres Gesicht, während sie
weiterrannte. Ohnesorg mit Shub verbündet? Wurde eigentlich
das ganze Universum verrückt?
Jakob Ohnesorg tauchte tief in den glänzenden metallischen
Labyrinthen des alten Palastes von Löwenstein auf und zitterte
sofort heftig vor Kälte, Extreme Temperaturen machten ihm
inzwischen normalerweise nicht mehr viel aus, aber hier war es
wirklich bitterkalt. Die eisige Luft versengte förmlich seine
Lungen, und er spürte bereits, wie sich Reif auf der nackten
Haut von Gesicht und Händen bildete. Er zog den Mantel fest
um sich und knirschte mit den Zähnen, damit sie nicht mehr
klapperten. Der ungleichmäßige Atem erzeugte dicke Dampfwolken vor ihm. Er blickte sich um, sah aber nur die Metallwände eines unauffälligen Korridors, die durch keinerlei besondere Merkmale aufgelockert wurden. Er konnte hier überall
in dem Palast sein.
»Löwenstein?«, fragte er laut. »Seid Ihr noch bei mir?«
Natürlich, antwortete sie sofort, und die Stimme klang kühl
und vertraut. Willkommen in meinem alten Heim. Shub hat
Euch so dicht wie nur möglich an die verborgene Gruft
teleportiert. Die Fähigkeiten der KIs sind hier beschränkt.
Seltsame Kräfte wirken an diesem Ort, alte Maschinen in der
Gruft, die heute noch
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