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Todtstelzers Schicksal

Todtstelzers Schicksal

Titel: Todtstelzers Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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Gemach war ungefähr von der Größe eines üblichen Familienmausoleums, mit
einem einzelnen Bett an der Stelle des Sarges. Den Rest des
Raums füllten diverse Mechanismen aus, die Ohnesorg nicht
verstand, und er hatte keine Lust, sich an irgendetwas davon zu
schaffen zu machen. Ein ungewohnter Sinn für das Wunderbare erfüllte ihn. Hier hatte der Mann, der Dram hieß, über Jahrhunderte hinweg geschlafen und seinen Vater verfolgt, und all
das im Namen des Hasses.
Ohnesorg kannte die Grundzüge der Geschichte. Jeder tat es.
Der ursprüngliche Todtsteltzer, Giles, hatte einen Sohn, dessen
Name in den Zeitläuften verloren gegangen war. Er verriet den
Vater oder wurde von diesem verraten, je nach der Version der
Geschichte, der man Glauben schenkte, und schwor furchtbare
Rache. Irgendwie fand er heraus, dass der Vater sich selbst in
ein Stasisfeld gelegt hatte, und arrangierte das gleiche Schicksal für sich, um darauf zu warten, dass der Vater wieder auftauchte. Damit er eine weitere Chance erhielt, ihn umzubringen. Nur dass Löwenstein ihn vorher fand. Ihn erweckte, wahrscheinlich nicht durch einen Kuss, und zu ihrem Mann machte.
Er wählte sich den Namen Dram und wurde zum offiziellen
Witwenmacher der Imperatorin, nur um eine Beschäftigung zu
haben, bis sein Vater wieder erschien. Und als Giles dies tat,
folgte ihm der Sohn in den größten Triumph und die größte
Tragödie der Familiengeschichte: die Dunkelwüste. Dram kam
dort auf der Wolflingswelt ums Leben, und jedermann ging
davon aus, dass seine Chance auf Rache an der Familie und
dem Imperium, das er verabscheute, mit ihm gestorben war.
Ohnesorg konnte jedoch Drams dunkle Träume wieder zum
Leben erwecken, wenn er das wollte. Wer wusste schon, welch
schreckliches Wissen, welch furchtbare Waffen dieser Gruft
des alten Imperiums zu entnehmen waren, auf dass Shub sie
gegen die Menschheit einsetzte?
»Löwenstein?«, fragte Ohnesorg. »Könnt Ihr mich hören?
Löwenstein?«
Keine Antwort erfolgte, und Ohnesorg lächelte und entspannte sich etwas. Die Gruft befand sich, aus der Perspektive von Shub gesehen, in einer anderen Zeit. Löwenstein musste warten, bis Ohnesorg wieder auftauchte, ehe sie ihn befragen
konnte. Was genau das war, worauf er insgeheim gehofft hatte.
Zu keinem Zeitpunkt hatte er geplant, Shub irgendetwas auszuliefern, was gegen die Menschheit eingesetzt werden konnte.
Vielleicht war er zum Gesetzlosen geworden, aber er hatte
nicht den Verstand verloren. Er suchte hier in vergessener Tech
des alten Imperiums nach Hoffnung. Womöglich einer Heilung
für die Nanoseuche oder nach machtvollen Waffen, die man
gegen Shub und die Neugeschaffenen wenden konnte. Oder die
vielleicht er selbst in seinem laufenden Krieg gegen die korrupte Obrigkeit einsetzen konnte.
Er machte sich daran, die diversen Formen hochtechnologischer Errungenschaften, die in Drams alter Gruft
verstreut waren, methodisch zu durchsuchen. Einige dienten
eindeutig zur Erhaltung des Stasisfeldes. Andere stellten Variationen bekannter Technik dar, teils ein wenig hinter dem aktuellen Stand, teils ihm ein wenig voraus. Manches konnte er
überhaupt nicht einordnen, weder von Design noch Funktion
her. Erkennbare Waffen fand er nicht, ebenso wenig eine Spur
von etwas, das auch nur einen Hinweis auf Nanotech gegeben
hätte. Also doch kein Heilmittel. Keine machtvollen Waffen,
die ihn zum Sieg führten. Ohnesorg seufzte müde. Gern hätte
er sich in der Lage wiedergefunden, die Menschheit ein letztes
Mal zu retten. Sei es auch nur, um die Leute mit der Nase hineinzustoßen, ihnen zu beweisen, dass sie ohne ihn nicht zurechtkamen. Ein unwürdiger Gedanke vielleicht, aber was zum
Teufel sollte es!
Was er schließlich in einer verschlossenen Kiste fand, die das
Siegel des Clans Todtsteltzer trug und in einem Geheimfach
von Drams Bett steckte, war eine Sammlung von Holos, Dokumenten und sonstigen Papieren aus einer vergessenen Zeit.
Ohnesorg brach das Schloss mühelos mit bloßer Hand auf,
setzte sich aufs Bett und leerte die Kiste vor sich aus. Langsam
durchstöberte er die Sammlung, und allmählich konnte er so
etwas wie eine Geschichte der Ursprünge des Clans Todtsteltzer zusammenstellen. Vieles war von Hand geschrieben, vermutlich von Dram. Ohnesorg schnaubte. Nie wäre er auf die
Idee gekommen, Dram für sentimental zu halten. Eher musste
man davon ausgehen, dass er diese Andenken zusammengetragen hatte, um seinem Hass Nahrung zu geben.

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