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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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Frau mit ihren beiden erwachsenen Töchtern. Sicherlich war eine der Töchter hierhergekommen, um ein Baby zu adoptieren, und sie hatte gleich ihre Schwester und ihre Mutter auf die Reise mitgenommen. Dabei musste ich an Claire denken. Ich wünschte, sie wäre mitbekommen, aber sie hätte Maura niemals so lange alleine gelassen. Ich konnte meinen Blick nicht von diesen Frauen lassen. Diese Ähnlichkeit. Beim Gedanken an Mom und Claire wurde mir ganz warm ums Herz. Ich legte Sam vorsichtig zurück in den Kinderwagen, zog einen Notizblock aus meinem Rucksack und fing an, einen Brief an Claire zu schreiben:
    Liebe Claire,
    gerade hat ein Mönch alle Babys gesegnet, Sam ist eingeschlafen und Tim sieht sich die Pagode an. Ich sitze hier auf einer Bank, es ist ziemlich kalt, obwohl die Sonne scheint. Ein wunderschöner Tag. Was ich Dir aber eigentlich sagen will, ist, dass nur ein paar Tische von mir eine Frau sitzt, die wunderschöne,wellige braune dicke Haare hat und aussieht, als hätte sie jemand mit einer Luftpumpe aufgeblasen. Ihre Augen sind von einem so intensiven Blau, dass ich die Farbe von hier aus erkennen kann. Wenn sie lacht – und sie hat ein sehr ansteckendes Lachen –, bilden sich süße Grübchen auf ihren Wangen. Du weißt, was jetzt kommt. Mom.
    Diese Frau erinnert mich unglaublich an sie, obwohl sie bestimmt schon um die sechzig Jahre alt ist. Sie wird von ihren beiden Töchtern, die wohl beide in den Vierzigern sind, begleitet. Was mich so berührt, ist dieser Anblick, den die drei bieten: Die Mutter verteilt den Käse, die Nüsse und das Obst, schiebt die Serviette unter den Teller, damit sie nicht davonfliegt, und gießt ihren Töchtern Wein nach. Verstehst Du, was ich sagen will, Claire? Diese Mutter füttert ihre Töchter. ihre vierzig Jahre alten Töchter.
    Das nenne ich Mutter. Wäre unsere Mutter genauso? Würde sie uns noch immer den Mund abputzen, uns von ihrem Teller kosten lassen? Da fällt mir ein: Du bist ganz genauso, Claire. Maura kann von Glück reden, dass sie eine so tolle Mutter hat wie Dich. Was ich sagen will: Wenn ich nur eine halb so gute Mutter für Sam bin wie Du für Maura, bin ich voll zufrieden.
    Der Anblick dieser drei Frauen ließ mich daran denken, dass Du eine Zeit lang jeden Sonntag bei mir aufgekreuzt bist. Ich ging aufs College, Du standest kurz vor Deinem Abschluss, und obwohl Du mehr als alle Hände voll zu tun hattest, hast Du mir mein Essensgeld immer persönlich vorbeigebracht. Damals habe ich mich immer gefragt, weshalb Du es mir nicht einfach überweist. Doch mittlerweile sehe ich es so: Damit hattest Du einen Grund, bei mir nach dem Rechten zu sehen, wenn Du mir eine Milchtüte in den Kühlschrank gelegt und frisches Brot mitgebracht hast. Dann bist Du immer durch meine Wohnung gegangen, hast nachgesehen, ob die Fensterdicht schlossen, ob der Schlüsselalarm zur Selbstverteidigung auch ja an meinem Schlüsselbund hing und ob mein Handy geladen war.
    Oh, da sehe ich Tim die Außentreppe hinunterlaufen. Bin mal gespannt, was er alles von da oben gesehen hat. Ich kann es kaum erwarten, Dich nächste Woche wiederzusehen. Wahrscheinlich sind wir eher zurück, als Dich dieser Brief erreicht, vorausgesetzt, ich schaffe es überhaupt, einen Umschlag, eine Briefmarke und ein Postamt aufzutreiben. Vielleicht überreiche ich ihn Dir gleich persönlich.
    Übrigens, Du hattest recht! Ich sehne mich zurück zu dem Tag im Spa, als ich bei Kerzenlicht auf dem Massagetisch lag und weich geknetet wurde. Aber hier ist es auch schön!
    Bis bald!
    Ich hab Dich lieb!
    Deine Helen
    Beim Abendessen überraschte uns Max mit einer tollen Neuigkeit: »Die Direktorin lädt Ihre ganze Gruppe zu einer Besichtigung des Waisenheims ein.«
    Nur selten durften sich Adoptiveltern ein Bild von dem Ort machen, an dem ihre Adoptivkinder die erste Zeit ihres Lebens verbracht hatten. Umso größer war unsere Freude, und natürlich wollten wir alle ihrer Einladung nachkommen. Gleich am nächsten Morgen ging es mit dem Bus in Richtung Berge. Wir bahnten uns mit einem Hupkonzert unseren Weg durch den dichten Verkehr und überholten unzählige Radfahrer, Fußgänger und Taxis. Kaum hatten wir die Stadt hinter uns gelassen, hielt unsere Gruppe geschlossen den Atem an, als unser Busfahrer die Haarnadelkurven dicht am Abgrund in einem Wahnsinnstempo nahm und Bauern mit ihrem Ochsengespann und einer vierköpfigen Familie auf einem Motorroller ausweichen mussten. Wir alle drückten unsere Babys fest an

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