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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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paar Rosmarinplätzchen und einen Auflauf zubereitete. Tim röstete gerade roten Pfeffer für die Suppe, während Claire Kartoffeln schälte.
    Dieser Abend wärmte mein Herz, als hätte man es in eine Wolldecke gepackt. Meine Gefühle waren noch immer in Aufruhr, aber am stärksten verspürte ich nun Dankbarkeit. Mit Tim zusammen zu sein, Sam bei uns zu haben, meiner Schwester sehr nah zu sein – all das füllte das Loch, das seit Moms Tod in meinem Herzen war, fast aus. Dann musste ich an Larry denken und fragte mich, was er wohl jetzt, in diesem Augenblick, tat. Saß er womöglich in seinem Fernsehsessel, schlürfte Eierlikörpunsch und hörte Bing Crosby? Mit ihm war noch etwas offen. Er war das fehlende Puzzleteil. Das letzte Teil, um mein Loch zu füllen. Vielleicht wäre ja heute in einem Jahr alles anders und er würde mit uns feiern …
    Später am Abend steckten wir Maura und Sam in ihre Weihnachtspyjamas aus kuscheligem Flanell und setzten sie fürFotoaufnahmen aufs Sofa. Maura nahm ihre Aufgabe als große Cousine und Vorbild sehr ernst und drückte Sam eng an sich. Die Weihnachtsbeleuchtung ließ den ganzen Raum erstrahlen, im Hintergrund spielte »Rudolph the Red-Nosed Reindeer«, die Kameras klickten und Sam beobachtete das bunte Treiben mit großen Augen und lächelte hin und wieder Maura an, wenn sie von ihr gekitzelt wurde.
    An die fünfzig Aufnahmen später hatte ich endlich das Bild geschossen, das unsere Gefühle am besten einfing. Immerhin war es das erste Weihnachten, das wir mit unserer neuen Tochter feierten. Sam blickte darauf verträumt in Mauras Augen, sah erstaunt und verwundert (doch irgendwie glücklich) aus, als würde sie sich fragen, wie um aller Welt sie hier gelandet wäre.
    Als wir uns – alle hundemüde – eine gute Nacht wünschten, nahm ich Claire zur Seite. »Du weißt schon, in den letzten Jahren …«, stotterte ich, weil ich nicht wusste, wie ich mich für meine Bedrücktheit, um nicht zu sagen Depression, entschuldigen sollte.
    »Ach, vergiss es«, winkte Claire ab.
    »Ich bin ja so glücklich. Ehrlich!«
    »Ich doch auch«, sagte sie. »Und ganz verrückt nach meiner Nichte. Sie ist das süßeste kleine Mädchen auf der ganzen Welt.«
    »Was ist mit Larry?«, fragte ich sie dann.
    »Was soll mit ihm sein?«
    Ich zuckte die Schulter. »Keine Ahnung. Ich bin mir noch nicht im Klaren darüber.«
    Sie lächelte mich an. »Denk einfach weiter drüber nach, ich geh jetzt auf jeden Fall ins Bett.«
    Am nächsten Morgen half mir Delia, Sam zu baden. Nachdem wir sie abgetrocknet, gepudert und eingecremt hatten, zogen wir ihr Strumpfhosen und ein rubinrotes Samtkleid an. Ihr Anblickwar zu komisch, und wir prusteten laut los. Ihr Kopf wirkte auf einmal so klein, ihre schwarzen Haare standen durch die elektrische Ladung in alle Richtungen ab, und das Kleid war zu groß. Je mehr wir lachten, umso mehr lachte auch Sam, unsere kleine Verbündete.
    Auf dem Weg zur Kirche versuchte ich mich daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal in der St.-Mary’s-Kirche gewesen war. Ich glaube, es war Weihnachten vor einem oder zwei Jahren, als Claire mich mit den Worten »Wenigstens an Weihnachten und Ostern kannst du mal eine Ausnahme machen« in den Gottesdienst geschleppt hatte und mich deswegen schuldig fühlen ließ, weil ich mich geweigert hatte, außerhalb dieser Tage eine Kirche zu betreten. Damals hatte ich neben Claire in der Bank gesessen und zugesehen, wie immer mehr Familien in die Kirche strömten: Schwangere mit ihrem Bäuchlein und in ihrer Schwangerschaftskleidung, andere Frauen mit Babys an ihren Hüften oder Kleinkindern an der Hand. Ganze Horden von Familien mit ihren Kindern im Alter zwischen drei und zehn. Vor mir saß ein ganzer Pulk an Mädchen in roten und grünen Festtagskleidern, die schon mehrere Generationen weitergegeben worden waren. Die Jüngste dürfte etwa drei gewesen sein, die Älteste ein Teenager. Eine davon sah mich an und zuckte mit den Schultern, als ob sie fragen wollte:
Und wo sind deine Kinder?
Ich zeigte mit dem Finger auf sie und bedeutete ihr, sich wieder umzudrehen und nach vorne zu blicken. Gerade an einem Tag wie diesem hatte ich keine Lust, mich von einem kleinen Mädchen, das aus einer überaus fruchtbaren Familie zu stammen schien, zum Gespött machen zu lassen. Doch an diesem Tag war es anders, an diesem Tag hielt ich meine Tochter im Arm.
    Sobald wir in der Reihe Platz genommen hatten, rutschte ich nach vorne auf meine Knie, schloss

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