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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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meine Augen und dankte Gott. Nach all den Jahren der bitteren Enttäuschungen kam es mir wie ein Wunder vor, dass Sam in mein Leben getreten war.Vor noch gar nicht so langer Zeit war eine Adoption undenkbar für mich gewesen, diese Entscheidung kam mir falsch und schwer vor. Doch jetzt war sie leicht und goldrichtig, wie wenn Zucker und Ahornsirup zu feinster Zuckerwatte gesponnen werden.
    Nach dem Gottesdienst küsste ich Sam zum Abschied und überließ sie der Obhut von Tim und seinen Eltern. Ich hatte mich mit Claire am Grab unserer Mutter verabredet.
    »Bist du sicher, dass wir nicht mitkommen sollen?«, wollte Tim wissen.
    »Absolut«, sagte ich. »Ich bin ja nicht lange weg. Sobald ich wieder da bin, können wir zu Mittag essen, okay?«
    Küsschen hier, Küsschen da und schon saß ich hinter dem Steuer. Nach einem kurzen Moment wurde mir klar, dass ich für weniger als eine Sekunde jeweils immer wieder durch den Spiegel auf Sams Kindersitz sah – ich war alleine unterwegs. Mein Mutterinstinkt, von dem ich mal geglaubt hatte, dass er in meinen kaputten Eierstöcken eingesperrt war, agierte und reagierte so hellwach wie ein Schülerlotse.
    Eine halbe Stunde später fuhr ich durch das schmiedeeiserne Tor am Friedhof. Ich parkte das Auto und lief den Hügel hinauf zum Moms Grab. Da sah ich auch schon Claire. Sie kniete vor dem Grabstein. Zu meinem Erstaunen richtete sie sich auf, trocknete ihre Augen und schüttelte ihren Kopf, als könne sie selbst nicht glauben, was soeben passiert war.
    Ich ging langsam weiter und näherte mich ihr ganz vorsichtig. »Hi, Claire.«
    »Oh!«, rief sie nicht minder erstaunt, stand auf und fuhr sich wieder über die Augen. »Du bist schon da?«
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Na klar doch!«
    »Und weshalb weinst du dann?«
    »Freudentränen. Vor lauter Freude und Dankbarkeit.«
    »Claire, ernsthaft. Was ist los mit dir?«
    Claire fuhr sich wieder mit der Hand über das Gesicht. »Ernsthaft, Helen, es ist Weihnachten! Worüber sollte ich mir ausgerechnet heute Sorgen machen?«
    »Geht es Ross gut? Und Maura?«
    »Aber ja doch!«, beharrte sie. »Ein bisschen Rührseligkeit gehört doch zu Weihnachten dazu. Maura hat heute Morgen dieses schwarze Velourskleid angezogen und die Schuhe mit den etwas höheren Absätzen. Und bei dem Anblick habe ich fast die Fassung verloren. Sie hat so erwachsen darin ausgesehen. Ich musste immerzu denken, wie schnell Kinder doch erwachsen werden.«
    »Dir geht es also wirklich gut? Ehrlich?«
    »Aber sicher. Lass uns ein wenig Zeit mit Mom verbringen.«
    Zwei Wochen später packten Davis und Delia ihre Koffer, weil sie am nächsten Morgen wieder zurück nach North Carolina wollten. Ich stand in der Tür, Sam auf meiner Hüfte. »Vielen Dank für eure Hilfe. Danke, dass ihr auf Sam aufgepasst, unseren Kühlschrank gefüllt und alles blitzblank geschrubbt habt. Es war wunderbar, nach einer langen Reise so empfangen zu werden.«
    »Wir bleiben auch gerne noch länger, wenn du uns brauchst«, sagte Delia und streckte die Arme nach Sam aus, da sie von ihrer Enkelin nicht genug bekommen konnte.
    »Ich würde mich freuen, aber wir kommen schon klar. Uns fehlt noch ein bisschen Routine, das ist alles.«
    An diesem Abend gab es Schweinekotelett, so zubereitet, wie Tim und ich es in Frankreich gelernt hatten. Er wendete die Koteletts in Mehl, garte sie dann ganz langsam in Milch und servierte sie mit Kartoffelbrei. Es schmeckte köstlich, und wir aßen ganz langsam und bedächtig, genossen Bissen für Bissen und ließen auch Sam davon probieren.
    Am nächsten Morgen winkten Sam und ich Davis und Delia zum Abschied zu. Eine Stunde später verließ auch Tim das Haus, der es kaum erwarten konnte, wieder im Restaurant zu sein.
    Mit Sam in meinem Armen tappte ich durch das befremdlich ruhige und leere Haus.
    »Und jetzt?«, fragte ich Sam.
    Sam sah mir einen kurzen Moment in die Augen, als ob sie damit sagen wollte:
Was würdest du denn jetzt tun, wenn ich nicht hier wäre?
    »Das ist es ja, mein Mäuschen«, sagte ich und stupste sie zart an der Nase. »Bevor du in mein Leben getreten bist, habe ich jede Menge Zeit in meiner Schmollecke verbracht. Den ganzen Tag lag ich im Bett, sah mir eine Seifenoper nach der anderen an und sehnte mich nach einem eigenen Baby, das ich aber nicht haben konnte. Wenn ich dann doch mal unser Haus verlassen habe, bin ich, ohne es zu wissen, vor dem Haus meines Vaters gelandet. Das könnten wir doch später machen, oder?

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