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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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mir nicht, wie ich meine Tochter zu erziehen habe!« Mein Ton ist so scharf, dass einige Komparsen neugierig zu uns hinüberspähen.

    »Du gönnst mir nicht das Geringste , dabei hat Baba mir versprochen, dass ich nach Haolaiwu komme, wenn wir der Hochzeit zustimmen.«
    So habe ich das nicht in Erinnerung. Außerdem hat May jetzt das Thema gewechselt. Und sie wirft einiges durcheinander.
    »Es geht hier um Joy«, sage ich, »nicht um deine albernen Träume.«
    »Ach, ja? Vor ein paar Minuten hast du mir noch vorgeworfen, das chinesische Volk zu beschämen. Jetzt willst du mir weismachen, bei mir sei es schlecht, doch wenn du und Joy es tun, dann ist es gut?«
    Nun stehe ich vor einem Problem, das ich nicht lösen kann. Ich kann nicht mehr richtig denken, aber meine Schwester wohl auch nicht.
    »Du hast alles«, wiederholt May und beginnt zu weinen. »Ich habe nichts. Kannst du es mir nicht dieses eine Mal überlassen? Bitte! Bitte! «
    Ich presse die Lippen aufeinander, und die Hitze meiner Wut brennt rot auf meiner Haut. Ich weigere mich, auch nur einen der Gründe zu glauben oder anzuerkennen, warum sie und nicht ich diese Rolle in dem Film bekommen sollte, doch dann tue ich, was ich immer getan habe. Ich gebe meiner moy moy nach. Nur so löst sich ihr Neid irgendwann auf. Nur so zieht sich mein Groll wieder zurück in sein Versteck und gibt mir Zeit, darüber nachzudenken, wie ich Joy aus dieser Sache herausbekomme, ohne noch mehr Spannungen zu schaffen. May und ich sind Schwestern. Wir werden uns immer streiten, aber wir werden uns auch immer wieder versöhnen. So ist das bei Schwestern: Wir zanken, wir stoßen die andere mit der Nase auf ihre Schwächen, Mängel und Fehlurteile, wir stellen die Unsicherheiten bloß, unter denen wir seit unserer Kindheit leiden, und dann tun wir uns wieder zusammen. Bis zum nächsten Mal.
    May schnappt sich meine Tochter und nimmt meinen Platz in der nächsten Szene ein. Der Regisseur merkt nicht, dass meine
Schwester jemand anderes ist als ich. Für ihn ist sie eine Chinesin in einer schwarzen Hose, schlamm- und blutverschmiert, mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm, austauschbar. In den nächsten Stunden höre ich zu, wie meine Schwester ein ums andere Mal schreit. Der Regisseur ist nicht zufrieden, aber er tauscht May auch nicht aus.

SCHNAPPSCHÜSSE
    Am 7. Dezember 1941, drei Monate nach meinem Abend bei den Dreharbeiten, bombardieren die Japaner Pearl Harbor, und die Vereinigten Staaten treten in den Krieg ein. Einen Tag darauf greifen die Japaner Hongkong an. An Weihnachten werden die Briten die Insel aufgeben. Ebenfalls am 8. Dezember, genau um zehn Uhr morgens, nehmen die Japaner die Internationale Siedlung in Shanghai ein und hissen ihre Flagge oben auf der Hong Kong and Shanghai Bank am Bund. Ausländer, die so unvorsichtig waren, in Shanghai zu bleiben, verbringen die folgenden vier Jahre in Internierungslagern, während in Amerika das Auffanglager von Angel Island an die Armee übergeben wird, um dort japanische, italienische und deutsche Kriegsgefangene unterzubringen. Bei uns in Chinatown gehört Onkel Edfred zu den ersten Männern, die sich freiwillig melden. Keiner von uns kann ihn davon abhalten.
    »Was? Warum machst du so was?«, will Onkel Wilburt in Sze Yup wissen, als sein leiblicher Sohn die Neuigkeit verkündet.
    »Weil ich ein Patriot bin!«, lautet Onkel Edfreds fröhliche Antwort. »Ich möchte kämpfen! Grund Nummer eins: Ich will mithelfen, unseren gemeinsamen Feind zu bekämpfen - die Japsen. Grund Nummer zwei: Wenn ich mich freiwillig melde, kann ich Amerikaner werden. Ein rechtmäßiger Staatsbürger. Etwas später, natürlich.« Falls er überlebt, denken wir anderen. »Alle Wäscher melden sich«, fügt er angesichts unserer mangelnden Begeisterung hinzu.
    »Wäscher! Pah! Manche würden alles tun, bloß um nicht als Wäscher arbeiten zu müssen.« Skeptisch zieht Onkel Wilburt Luft durch die Zähne.

    »Was hast du gesagt, als sie dich nach deinem Aufenthaltsstatus gefragt haben?«, will Sam wissen, der immer Angst hat, dass einer von uns erwischt wird und wir alle nach China zurückgeschickt werden. »Du bist ein Papiersohn. Kommen die jetzt und suchen auch den Rest von uns?«
    »Ich habe meinen Status sofort zugegeben. Ich habe gesagt, dass ich mit gefälschten Papieren herübergekommen bin«, antwortet Edfred. »Das schien aber keinen zu interessieren. Wenn sie mich irgendwas gefragt haben, das meiner Meinung nach auf euch zurückfallen

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