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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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gleichzeitig serviert wird.«
    Wir trinken Tee. Niemand gibt einen Kommentar zur Aussicht, der Einrichtung des Hotels oder den heutigen Plänen dieser Auslandschinesen ab.
    Der Alte Herr Louie schnippt mit den Fingern. Der Kellner kommt wieder an unseren Tisch. Mein Schwiegervater - allein der Titel kommt mir seltsam vor - bedeutet dem Kellner, sich hinunterzubeugen, dann flüstert er ihm etwas ins Ohr. Der Kellner richtet sich auf, verzieht den Mund und verlässt den Raum. Ein paar Minuten später kehrt er mit zwei Zimmermädchen zurück, jedes mit einem Stoffbündel in den Händen.
    Der Alte Herr Louie winkt eines der Mädchen zu sich und nimmt ihm das Bündel ab. Als er sich den Stoff durch die Hände gleiten lässt, wird mir voller Entsetzen bewusst, dass es sich entweder um das Laken von Mays oder von meinem Bett handelt. Die Speisenden um uns herum beobachten dies mit unterschiedlichem Interesse. Die meisten Ausländer scheinen nicht zu begreifen, was hier vor sich geht, nur ein einziges Paar sieht schockiert aus. Doch die Chinesen im Raum - von den Gästen bis zu den Hotelangestellten - wirken amüsiert und neugierig.
    Die Hände des Alten Herrn Louie halten bei einem Blutfleck inne.
    »Aus welchem Zimmer ist das?«, fragt er das Zimmermädchen.
    »Aus Zimmer 307«, antwortet sie.
    Der Alte Herr Louie blickt von einem Sohn zum anderen. »Wer hatte dieses Zimmer?«
    »Das war meines«, antwortet Sam.
    Das Laken fällt zu Boden. Er lässt sich das andere Laken geben und fängt wieder mit seinem scheußlichen Gefummel an. May öffnet die Lippen. Sie atmet leise durch den Mund. Das Laken wandert weiter. Die Leute um uns herum starren herüber. Unter dem Tisch spüre ich eine Hand auf meinem Knie. Sie gehört
Sam. Als der Alte Herr Louie das Laken durchgesehen hat, ohne einen Blutfleck zu finden, beugt sich May vor und erbricht sich über den ganzen Tisch.
    Damit ist das Frühstück beendet. Ein Wagen wird bestellt, und innerhalb von Minuten sind May, der Alte Herr Louie und ich auf dem Rückweg zum Haus unserer Eltern. Bei unserer Ankunft gibt es keine Plaudereien, keinen Tee und keine Glückwünsche, nur Schuldzuweisungen. Ich habe den Arm um Mays Taille gelegt, als sich der Alte Herr Louie an meinen Vater wendet.
    »Wir hatten eine Vereinbarung.« Er klingt barsch, lässt keinen Raum für Diskussionen. »Eine Ihrer Töchter hat Sie enttäuscht.« Er hebt die Hand, bevor mein Vater sich entschuldigen kann. »Ich verzeihe ihr. Das Mädchen ist noch jung, und mein Sohn...«
    Ich bin erleichtert - überaus erleichtert -, dass der Alte Herr Louie von der Annahme ausgeht, meine Schwester und Vern hätten letzte Nacht nicht getan, was sie hätten tun sollen, statt ihr vorzuwerfen, keine Jungfrau mehr zu sein. Die Konsequenz aus dieser zweiten Möglichkeit ist beinahe zu scheußlich, um auch nur daran zu denken: die Untersuchung durch einen Arzt. Wenn er alles unversehrt finden würde, wären wir nicht schlechter dran als jetzt. Wenn nicht, würde meine Schwester zu einem Geständnis gezwungen, die Ehe würde mit der Begründung aufgelöst, dass May bereits mit jemand anderem getan hatte, was Eheleute tun, die Geldprobleme meines Vaters wären wieder ungelöst und womöglich noch schlimmer, wir hätten wieder eine ungewisse Zukunft vor uns, ganz zu schweigen davon, dass Mays Ruf für immer beschmutzt wäre - selbst in der heutigen, modernen Zeit - und ihre Chancen, in eine gute Familie einzuheiraten - wie die von Tommy Hu - zunichte gemacht wären.
    »Das ist erst einmal egal«, sagt der alte Mann zu meinem Vater, als könnte er meine Gedanken lesen. »Es kommt nur darauf an, dass sie verheiratet sind. Sie wissen, dass meine Söhne und ich geschäftlich in Hongkong zu tun haben. Wir reisen morgen ab, aber ich mache mir Sorgen. Welche Garantie habe ich, dass
Ihre Töchter wirklich zu uns stoßen? Unser Schiff nach San Francisco legt am 10. August ab. Bis dahin sind es nur noch siebzehn Tage.«
    Ich bin wie vom Donner gerührt. Baba hat uns schon wieder belogen! May macht sich von mir los und rennt die Treppe hinauf, doch ich folge ihr nicht. Ich starre meinen Vater an, hoffe, dass er etwas dazu sagt. Aber er tut es nicht. Er ringt die Hände und benimmt sich so unterwürfig wie ein Rikschafahrer.
    »Ich nehme ihre Kleider schon mal mit«, verkündet der Alte Herr Louie.
    Er wartet gar nicht darauf, dass Baba widerspricht oder ich protestiere. Als er die Treppe hinaufgeht, folgen ihm mein Vater und ich. Der Alte Herr

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