Toechter Aus Shanghai
westlichen Stil, aber mit Stäbchen.«
»Haben Sie den Gästen Betelnüsse serviert? Haben Sie Tee eingeschenkt?«
Am liebsten würde ich sie darauf hinweisen, dass ich kein Landei bin und daher unter gar keinen Umständen Betelnüsse serviert hätte. Tee hätte ich eingeschenkt, wenn ich die Hochzeit bekommen hätte, die ich mir erträumt habe, aber dieser Abend war nicht sehr feierlich. Ich weiß noch, wie abschätzig der Alte Herr Louie abgewunken hat, als mein Vater vorschlug, dass May und ich das Ritual vollführen sollten.
»Es war eine standesamtliche Hochzeit«, sage ich. »Sehr im westlichen Stil...«
»Haben Sie als Teil der Zeremonie Ihre Ahnen verehrt?«
»Natürlich nicht. Ich bin Christin.«
»Ist Ihre vorgebliche Heirat beurkundet?«
»Die Urkunde ist in meinem Gepäck.«
»Werden Sie von Ihrem Ehemann erwartet?«
Diese Frage verblüfft mich kurz. Der Alte Herr Louie und seine Söhne wissen, dass wir nicht nach Hongkong gekommen sind, um sie zu begleiten. Sicherlich haben sie die Grüne Bande darüber informiert, dass wir unseren Teil der Vereinbarung nicht erfüllt haben, aber haben sie auch den Beamten auf Angel Island davon berichtet? Und rechnen der Alte Herr und seine Söhne noch damit, dass wir kommen?
»Meine Schwester und ich wurden durch die Affenmenschen aufgehalten«, sage ich. »Unsere Ehemänner sehnen unsere Ankunft herbei.«
Nachdem der Dolmetscher das den Männern mitgeteilt hat, unterhalten sich die beiden Beamten, ohne zu wissen, dass ich jedes Wort verstehe.
»Sie wirkt ja durchaus ehrlich«, sagt Mr. White. »Aber in ihren Papieren steht, dass sie die Frau eines sich hier legal aufhaltenden Kaufmanns und die Frau eines amerikanischen Staatsbürgers ist. Beides kann sie nicht sein.«
»Das könnte ein Fehler bei der bisherigen Bearbeitung sein. Wir müssten sie so oder so einreisen lassen.« Der Vorsitzende Plumb verzieht säuerlich das Gesicht. »Aber sie kann weder den einen noch den anderen Status nachweisen. Und überhaupt, dieses Gesicht. Finden Sie, dass sie wie die Frau eines Kaufmanns aussieht? Sie ist sehr dunkel. Ich wette, sie hat ihr ganzes Leben lang auf Reisfeldern gearbeitet.«
Schon wieder. Immer dasselbe. Ich senke den Blick, möchte nicht, dass sie sehen, wie mir die Röte den Hals hinaufkriecht. Ich denke an das Mädchen auf dem Kutter nach Hongkong und die abschätzigen Blicke des Piraten. Nun machen diese Männer dasselbe mit mir. Wirke ich tatsächlich so bäuerlich?
»Aber sehen Sie sich doch an, wie sie gekleidet ist. Sie wirkt auch nicht wie die Frau eines Arbeiters«, widerspricht Mr. White.
Der Vorsitzende Plumb klopft mit den Fingern auf den Tisch. »Ich lasse sie durch, aber zuerst will ich ihre Heiratsurkunde sehen, in der steht, dass sie mit einem legal hier ansässigen Kaufmann verheiratet ist, oder einen Nachweis der Staatsangehörigkeit ihres Mannes.« Er wendet sich an den Dolmetscher. »An welchem Tag dürfen die Frauen hinunter zum Hafen, um sich Sachen aus ihrem Gepäck zu holen?«
»Immer dienstags, Sir.«
»Gut. Dann behalten wir sie bis nächste Woche hier. Sagen Sie ihr, dass sie beim nächsten Mal ihre Heiratsurkunde mitbringen soll.« Er nickt dem Protokollführer zu und diktiert ihm eine Zusammenfassung, die mit den Worten endet: »Wir stellen den Fall zurück, bis weitere Nachforschungen durchgeführt wurden.«
Fünf Tage lang tragen May und ich dieselben Kleider. Abends waschen wir unsere Unterwäsche und hängen sie zusammen mit der Wäsche der anderen Frauen über unseren Köpfen zum Trocknen auf. Wir haben noch ein bisschen Geld, um uns an einem kleinen Kiosk, der während der Mahlzeiten geöffnet ist, Zahnpasta und andere Toilettenartikel zu kaufen. Als der Dienstag
kommt, stellen wir uns mit anderen Frauen auf, die etwas aus ihrem Gepäck holen wollen, und werden von zwei weißen Missionarinnen zu einem Lager am Ende des Hafenbeckens geführt. May und ich holen unsere Hochzeiturkunden, und ich sehe nach, ob das Handbuch noch gut versteckt ist. Niemand hat sich die Mühe gemacht, in meinem Hut mit den Federn zu suchen. Ich zupfe das Futter zurecht, damit das Büchlein auch wirklich nicht zu sehen ist. Dann nehme ich mir frische Unterwäsche und Kleider zum Wechseln heraus.
Weil ich mich vor den anderen Frauen nicht nackt zeigen will, ziehe ich mich jeden Morgen unter der Decke in meinem Bett an. Dann warte ich darauf, in den Anhörungsraum bestellt zu werden, aber niemand holt uns. Wurden wir bis neun Uhr
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