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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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auf. Alle, so bemerkte ich, hatten einen guten Schritt vorwärts getan in ihrer Entwicklung. Sie gingen aufrecht, das Kinn erhoben, die Brust herausgestreckt. Ich stürzte meinen Kaffee hinunter, und dann folgten Donna und ich der Schar zurück ins Klassenzimmer.
    Donna sagte: »Du weißt doch, was als nächstes auf dem Stundenplan steht, nicht wahr? Diese Prüfung.«
    »O Gott. Die hab’ ich ganz vergessen.«
    Aber es war nicht allzu schlimm. Wir bekamen jede ein vorgedrucktes Blatt mit zwanzig Flughafen-Abkürzungen, die wir identifizieren mußten, und die Bezeichnungen von sechs Flugzeugteilen, die wir erklären mußten; und sobald wir alles beantwortet hatten, gaben wir das Blatt bei Miß Webley ab, die ruhig hinter ihrem Pult saß und uns beobachtete. Donna war die erste, die ihre Arbeit ablieferte, und es überraschte mich, als Miß Webley rief: »Das ist sehr gut, Donna. Alle Antworten sind richtig. Hundert Prozent.« Alma war nur ein wenig langsamer, einige der Flugzeugteile machten ihr Schwierigkeiten, aber es gelang ihr, neunzig Prozent zu erreichen. Ich hinkte hinterher, weil meine Gedanken immer wieder von der Arbeit abschweiften, sie zogen es vor, zu Doktor Ray Duer zu wandern. Ich rutschte gerade eben durch mit den verlangten neunzig Prozent, nicht gerade ein erhebendes Gefühl, da fast alle volle hundert Prozent schafften. Eine intelligente Gesellschaft, das wurde mir klar.
    Für den Rest des Vormittags plauderte Miß Webley über Geschichte und Organisation der Magna International Airlines. Und sie beendigte die Vorstellung damit, daß sie uns weitere fünftausend Bezeichnungen und Definitionen nannte, nicht über Flugzeuge im besonderen, sondern über Fliegen im allgemeinen. Natürlich. Das war eine ganz neue Welt mit ihrem eigenen Wortschatz, der gelernt werden mußte. Gar nicht zu reden von einem Haufen Abkürzungen, die wir auswendig lernen mußten, um sie auf der Stelle erkennen zu können, wie zum Beispiel OVWX, was bedeutet: Überfliegen eines Bestimmungsortes aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen, oder RTN, was eine ziemlich komplizierte Art ist, um Routine zu schreiben, und ETA und ETD, was bedeutet geschätzte Ankunftszeit, beziehungsweise Abflugzeit. »Ich hoffe, ihr werdet all das behalten, Kinder«, sagte Miß Webley, »denn wir werden darüber eine Prüfung machen.« Wir stießen den üblichen Seufzer aus, und sie schenkte uns ihr süßes Lächeln.
    Um halb eins gingen wir zum Essen, und ich sauste hinunter in die Kaffeebar, um Jurgy zu suchen. Den ganzen Vormittag lang hatte ich mir Gedanken gemacht, wie die Besprechung mit Mrs. Montgomery verlaufen sein mochte, und ich konnte es einfach nicht abwarten, es zu erfahren. Sie saß allein an einem Tisch, vor sich eine Tasse Kaffee, und ein heißer Schreck fuhr mir in alle Glieder, sie war so allein, und ihr Gesicht war so finster.
    Ich eilte zu ihr und flüsterte: »He, Jurgy, wie ist’s verlaufen?«
    Sie warf mir einen sonderbaren Blick zu, als könnte sie nicht begreifen, wieso mich das interessierte. »Okay.«
    »Wirklich okay?«
    »Tja.«
    »Nun, Gott sei Dank«, sagte ich und sank auf den Stuhl neben ihr.
    Weitere Einzelheiten aus ihr herauszuholen war wie Zahnziehen. Die meisten Mädchen sind bereit, ihr Seelenleben auszuschütten im Handumdrehen, nicht so Jurgy. Schließlich sagte sie in ihrer trockenen Art: »Ich bin nur eine Minute lang oben gewesen. Mrs. Montgomery hat mir erklärt, daß Doktor Schwartz ihr alles Außergewöhnliche melden muß, und es wird in meinem medizinischen Bericht vermerkt werden, das ist alles.«
    »Oh, Jurgy, welch eine Erleichterung«, rief ich. »Hab’ ich dir nicht gesagt, Mrs. Montgomery ist eine vernünftige Frau?«
    Sie warf mir wieder einen sonderbaren Blick zu und wechselte brüsk das Thema: »Miß Pierce hat heute morgen in der Klasse einen Aufruhr verursacht. Wir müssen uns alle heute abend die Haare schneiden lassen oder so.«
    »Miß Webley hat das gleiche getan.«
    Sie wandte das Gesicht ab und starrte in die Feme. »Ich kann Haare schneiden. Ich schneid’ sie dir, wenn du willst.«
    »Aber Jurgy! Das ist großartig!«
    Sie lächelte finster. »Du vertraust dich mir an?«
    »Klar. Das enthebt mich der Suche nach einem Friseur.«
    »Okay. Kannst du’s mir hinten nur ein wenig stutzen?«
    »Ich werd’s versuchen.«
    Sie zog sich wieder zurück in die Ferne, und ich drang nicht weiter in sie. Es war eine sonderbare kleine Episode, und ich konnte nicht ganz dahinterkommen, was das alles

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