Toedliche Blumen
einwandfrei funktioniert.«
»Ist er senil?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe ihn lange nicht gesehen. Ein angenehmer Mann übrigens. Sicherlich leicht zu beeinflussen. Aber das sind nette Menschen ja oftmals.«
So leicht übers Ohr zu hauen kann er kaum gewesen sein, wenn er eine erfolgreiche Firma betrieb, fiel Peter Berg ein. Auch wenn der geschäftliche Bereich und das Familienleben natürlich völlig unterschiedliche Lebensbereiche darstellten und der Mann inzwischen gealtert war. Möglicherweise nachgiebiger geworden war. Wahrscheinlich spielte die Einsamkeit auch eine Rolle, dachte er und konnte sich mit einem Mal die Tragweite einer anderen Form von Einsamkeit als die, unter der er selbst litt, vorstellen. Dieses endgültige Verlassensein, das Gefühl von Leere, wenn alle um einen herum wegsterben.
»Eins würde ich gern noch wissen«, begann Peter Berg. »Können Sie mir sagen, ob Doris Alkohol trank oder ungewöhnlich hohe Dosen an Medikamenten einnahm?«
»Nein, sie trank weder viel, noch schluckte sie besonders viele Schmerztabletten. Wenn Sie das meinen. Sicher nicht mehr als viele andere in ihrem Alter. Sie war eher gesünder als die meisten.«
Berg machte sich auf seinem Block Notizen. Spuren von Alkohol hatte man in ihrem Blut nicht gefunden, aber stattdessen gewisse Beruhigungsmittel, die man ihr während ihres Aufenthalts in der neurochirurgischen Klinik verabreicht hatte.
»Ihr Vater starb vor gut einem Jahr«, wechselte Peter Berg das Thema.
»Sie sind gut informiert«, kommentierte Ted Västlund Bergs Aussage, ohne dabei boshaft zu klingen.
»Das gehört zum Standard innerhalb der Ermittlungen zu einem Mordfall.«
»Das klingt beruhigend und außerdem Vertrauen erweckend. Ich habe nichts dagegen, dass Sie denjenigen, der meine Mutter ermordet hat, festnehmen, falls Sie das annehmen sollten.«
»Was können Sie über die Beziehung zu Ihrem Vater berichten?«
»Wessen? Ihre oder meine?«
Peter Berg biss sich auf die Unterlippe.
»Warum nicht die von Ihnen beiden?«
»Mein Kontakt zu meinem Vater war recht gut, kann man sagen, wenn man bedenkt, dass wir uns nur wenig gesehen haben, als ich klein war. Meine Mutter verhinderte es nämlich, so gut sie konnte. Die Scheidung war bitter für sie. Ich glaube, dass sie nie darüber hinweggekommen ist, von einem Mann verlassen worden zu sein. Außerdem bedeutete es einen sozialen Abstieg für sie. Sie war ja recht gut aussehend in jungen Jahren und war es gewohnt, umworben zu werden. Und da sie eher aus so genannten ärmlicheren Verhältnissen stammte, legte sie besonderen Wert auf ihr Aussehen, das sozusagen ihre einzige Chance war, sozial aufzusteigen. Ihr eigener Vater war zur See gefahren und verschwand, als sie gerade erst ein paar Jahre alt war. Auf welchem der sieben Weltmeere, ist nicht sicher. Ihre Mutter hatte sich fortan mit Gelegenheitsjobs, Sparsamkeit und Hartnäckigkeit über Wasser gehalten, was zu der Zeit nichts Ungewöhnliches war. Die Frau hatte wirklich Feuer unterm Hintern. Ich glaube, dass sie es sogar geschafft hat, ihre Kinder zu verwöhnen, auch wenn sie nicht aus dem Vollen schöpfen konnte. Für meine Mutter, die mit der Heirat meines Vaters, der eine solide Ausbildung absolviert hatte und reiche Verwandte besaß, einen sozialen Aufstieg erlebte, bedeutete es viel, zu den Vornehmeren zu gehören. Nach der Scheidung musste sie zu ihrem großen Kummer wieder in ziemlich ärmlichen Verhältnissen leben, jedenfalls anfänglich. Auch wenn mein Vater ihr Unterhalt zahlte, reichte das Geld nicht, um den Standard, den sie gewöhnt war, aufrechtzuerhalten. Doch als sie dann begann, in der Parfümerie zu arbeiten, und nach einiger Zeit eine Festanstellung erhielt, funktionierte es ganz gut, glaube ich. Sicherlich hatten sie es dort auch nicht immer leicht mit ihr. Aber sie konnte eben auch phasenweise charmant und schmeichlerisch sein. Und aufgrund der Gesetzeslage war sie wahrscheinlich nicht so leicht kündbar.«
Ein Telefon klingelte, woraufhin die Ehefrau in den Nebenraum verschwand. Peter Berg hatte beim Hereinkommen einen kurzen Blick in das Zimmer geworfen und festgestellt, dass es sich um ein Arbeitszimmer oder eine Bibliothek handelte, die, wie er wusste, von vielen aus steuertechnischen Gründen offiziell vorzugsweise Büro genannt wurde. Die Stimme der Frau klang gedämpft. Sie hatte die Tür angelehnt.
»Aber im Nachhinein kann ich verstehen, dass mein Vater abhaute«, führte Ted Västlund weiter aus. »Es
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