Toedliche Blumen
früheren Zeitpunkt verlegt, ansonsten bildeten sich für gewöhnlich am späten Abend lange Schlangen von Lkws, die in diese Richtung unterwegs waren und die man nur schwer passieren konnte. Doch Larsson wusste aus eigener Erfahrung mittlerweile genau, wo sich Möglichkeiten zum Überholen boten. Er kannte die Strecke in- und auswendig.
Doch jetzt hatten sie es nicht besonders eilig, wie er Ludvigson verstanden hatte. Sie sollten eigentlich nur einen alten einsamen Mann in seiner Hütte beruhigen.
In der lang gezogenen Kurve vor der Kreuzung von Århult verbreiteten vereinzelte Straßenlaternen ihren gelblichen Schein. Larsson mochte diesen Landstrich. Man hatte freie Sicht, und der Blick wurde nicht von dichtem Nadelwald beengt, sondern konnte ungehindert über die freien, leicht abschüssigen Wiesen hinweggleiten, die sich nach Süden hin ausbreiteten. Normalerweise standen dort Pferde, doch nun war es zu dunkel, um sie erkennen zu können. Die roten Häuser mit ihren leuchtend weißen Giebeln und geschnitzten Veranden lagen weithin sichtbar in ihrer wohl proportionierten Idylle. Immer wenn er sich hier befand, empfand er keinerlei Sehnsucht nach Värmland.
Sie bogen bei Kristdala ab, und der schwarze Wald breitete sich erneut um sie herum aus. Bald passierten sie die Kiesgrube zu ihrer Rechten, fuhren an einzelnen Häusern und Hütten vorbei, erahnten, schwarz und glänzend zu ihrer Linken liegend, den See Stor-Brå, dessen Stege an der Badestelle noch nicht ausgelegt waren. Sie bogen schließlich in Kråkenäs nach rechts ab und folgten der Wegbeschreibung, die sie von Ludvigson erhalten hatten. Auf der gesamten Strecke kamen ihnen insgesamt zwei Autos entgegen.
An der eingeschalteten Außenbeleuchtung des zweigeschossigen, rot gestrichenen Wohnhauses erkannten sie, dass sie richtig waren. Larsson parkte den Polizeiwagen, und sie stiegen aus. Der Kiesweg unter ihren Schuhen knirschte. Sie klopften an der Tür. Im oberen Drittel der Haustür befand sich ein Fenster, das von innen mit einer Gardine bedeckt war, die jetzt zur Seite geschoben wurde, woraufhin sie ein Augenpaar direkt oberhalb der Kante musterte. Danach wurde die Tür geöffnet.
Der Mann gehörte zu der zähen, nahezu unsterblichen Sorte von Menschen, die nicht dahinschieden, sondern eher austrockneten und immer sehniger und gebeugter wurden, bis schließlich nichts mehr von ihnen übrig blieb.
Er reichte ihnen nacheinander seine große und schwielige Hand, kratzte sich dann am nahezu haarlosen Kopf und bemerkte schließlich, dass der ganze Aufwand bei näherer Betrachtung möglicherweise ein wenig zu groß für eine so unbedeutende Sache war. Plötzlich war es ihm peinlich, die Polizei gebeten zu haben zu kommen. Das Licht im Haus gegenüber war inzwischen gelöscht worden, wie er leider zugeben musste, doch als er es entdeckte, war es bereits zu spät gewesen. Da waren sie schon unterwegs gewesen.
Ja, der Mann befand sich zurzeit allein im Haus. Seine Frau hatte sich den Oberschenkelhals gebrochen und lag gerade frisch operiert im Krankenhaus. Conny Larsson nahm sich Zeit. Irgendetwas, er bekam nicht so richtig zu fassen, was es war, hielt ihn davon ab, die Unruhe des alten Mannes auf die leichte Schulter zu nehmen. Es musste etwas vorgefallen sein, das ihn dazu veranlasst hatte anzurufen. Denn der Mann schien ihm nicht gerade von der ängstlichen Sorte zu sein.
Larsson bat ihn, ihm und seiner Kollegin zu zeigen, von wo aus sich die beste Aussicht auf das Nachbarhaus bot, was natürlich vom Obergeschoss aus war, woraufhin sie die Treppe hinaufstiegen. Der gebeugte Mann ging ohne Mühe voraus, während er sich mit festem Griff am Geländer hielt, er schnaufte lediglich ein wenig. Schätzungsweise war er ein gutes Stück über achtzig. Oben angekommen, stellten sie sich ans Fenster und schauten hinaus. Selbst den Weg konnte man in der Dunkelheit kaum erkennen. »Ist Ihnen schon vorher etwas aufgefallen?«
»Was genau meinen Sie?«, fragte der Mann und kratzte sich erneut am Kopf. »Was auch immer Ihnen ungewöhnlich erscheint.« Der Mann blickte in die Richtung von Lena Jönsson und schien nicht gerade begeistert von einer weiblichen Polizistin. Höchstens eins sechzig groß und schmächtig. Dieser neumodischen Regelung, nach der auch junge Frauen zu Ordnungshütern ausgebildet wurden, konnte er höchstwahrscheinlich nichts abgewinnen. Lena Jönsson schien ihm seine stille Kritik an der Nasenspitze abzulesen und verspürte plötzlich das
Weitere Kostenlose Bücher