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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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auf diese Idee gekommen war. Klara schrie weder, noch quengelte sie. Sie hing einfach nur schlaff in seinen Armen. Ihre gesamte Energie benötigte sie zum Atmen.
    Er strich ihr sanft über das Gesicht.
    »Ist ja gut, jetzt sind wir gleich da«, redete er beschwichtigend auf sie ein.
     
    Veronika Lundborg drückte auf die Cappuccino-Taste.
    »Einen schönen Kaffeeautomaten habt ihr bekommen«, sagte sie zu dem Narkosearzt neben sich. »Wohin kann ich das Geld legen?«
    Sie suchte nach einer Kaffeekasse.
    »Schon okay. Der Chef spendiert.«
    »Das ist ja nett! Willst du keinen?«, fragte sie und sah Rheza zum ersten Mal direkt in die fast völlig runden tiefbraunen Augen.
    »Nein, danke«, lehnte er höflich ab.
    Fast ein wenig zu höflich. Vielleicht traut er sich nicht, dachte sie.
    »Oder Tee?«, versuchte sie.
    »Nein, vielen Dank«, erwiderte er, und sie wusste nicht, warum sie ihn unbedingt dazu bringen wollte, etwas zu trinken. Vielleicht weil sie ihn in den vergangenen Abendstunden als unterwürfig bis an die Grenze zur Selbstaufgabe erlebt hatte. Sie war sich im Klaren darüber, dass sein Verhalten nicht nur Konflikte mit scharfzüngigen Krankenschwestern auslösen konnte, die ihn herumkommandierten, seine Medikationen infrage stellten und hinter seinem Rücken tuschelten – sie hatte in der Klinik bereits vage Kommentare vernommen, die darauf hindeuteten –, sondern möglicherweise nicht zuletzt sie selbst dazu veranlassen könnte, sich ihm gegenüber vergleichsweise wie ein Bulldozer zu verhalten. Denn sie trat oftmals ziemlich entschlossen und geradezu forsch auf.
    Sie saßen im Personalraum der Intensivstation und hatten zum ersten Mal im Laufe des Nachmittags und Abends genügend zusammenhängende Zeit für eine Besprechung. Die grelle Deckenbeleuchtung war gelöscht, und die Leuchtstoffröhre unter dem Hängeschrank in der Kochnische verbreitete ein mildes, indirektes Licht.
    »Glaubst du, dass sie es schaffen wird?«, fragte sie den Narkosearzt. Dieser zuckte mit den Schultern.
    Zumindest wusste sie selbst, wie sie die Sache einschätzte. Falls die Frau nun wider Erwarten aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte, waren die Aussichten, dass sie vollkommen wiederhergestellt sein würde, nicht besonders rosig. Im schlimmsten Fall eher leichenblass. Sie litt unter umfangreichen Blutungen und Hirnschwellungen.
    Aber man konnte natürlich nie wissen.
    »Der menschliche Schädel ist wie eine Eierschale«, entfuhr es ihr.
    »Vielleicht sollten wir alle mit Helm herumlaufen. Ständig«, entgegnete der Narkosearzt lakonisch. »Doch manchmal erholen sich die Patienten besser, als man ahnt.«
    Es war halb neun. Der Krankenwagen mit Doris Västlund, zweiundsiebzig Jahre alt, ohne Bewusstsein und deswegen intubiert und mit provisorischen Gefäßzugängen und in diesem Fall sogar Arterienklemmen versehen, hatte sich gerade auf den Weg zur neurochirurgischen Klinik gemacht, wo sie eine hoch spezialisierte Pflege erwartete. Es handelte sich um eine zweistündige Reise mit Blaulicht.
    »In der Pressemitteilung müssen wir es lebensbedrohliche Verletzungen nennen«, sagte Veronika mit deutlicher Ironie.
    »Ja«, entgegnete der Narkosearzt. »Hast du schon mit der Polizei gesprochen?«
    Sie nickte.
    »Hab sie kurz über ihren Zustand informiert.«
    Rheza schwieg.
    Es war Veronikas Aufgabe, als verantwortliche Oberärztin ein oder zwei kurze Sätze zu formulieren, die an die Medien gingen. Mehr war nicht nötig, und außerdem musste die Schweigepflicht eingehalten werden. Sie erklärte Rheza die Zusammenhänge, und er nickte, sagte aber nach wie vor nichts. Mr. Stoneface, dachte sie. Er vermittelte ihr das Gefühl, bereits alles zu wissen und sie an der Nase herumzuführen.
    »Du denkst vielleicht, dass ich dir Selbstverständlichkeiten erzähle?«, kommentierte sie sein Schweigen.
    »Nein, überhaupt nicht«, entgegnete er und schaute ihr jetzt sogar in die Augen, wenn auch etwas überrascht.
    »Ich habe ja keine Ahnung, was du weißt«, entschuldigte sie sich und richtete den Blick auf das Schild an seinem Kittel, auf dem »Parvane« stand.
    Als Antwort hob er die Augenbrauen. Das war alles.
    »Es ist nicht so leicht für mich zu wissen, welche Informationen du benötigst. Die Abläufe unterscheiden sich ja von Einrichtung zu Einrichtung.«
    Genauso gut hätte sie sagen können: von Land zu Land. Hier galt jedenfalls das schwedische Modell. Recht und Ordnung. Eine Art hochtechnologisches Supermodell. Als befände sich der

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