Toedliche Blumen
Porzellanscherben fern zu halten.
Dazu kam, dass der ganze Fußboden übersät war mit Spielsachen. Aus Versehen trat Veronika auf eine Spieldose, was verdammt wehtat. Dabei fiel ihr auf, dass sich die zusammengeknüllten Seiten aus alten Wochenzeitungen, die Klara mit großer Sorgfalt zerkleinert hatte, auf dem Teppich wie tote Winterfliegen ausnahmen.
Claes hätte ja auch wirklich aufräumen können!
Zu allem Übel stieg auch noch ein unverwechselbarer Geruch aus Klaras Hose auf, die gerade breitbeinig und verdächtig still vor dem Bücherregal stand und sich festhielt.
Veronika nahm sie hoch und trug sie mit schroffem Griff ungefähr wie einen zusammengerollten Teppich unter dem Arm in Richtung Treppe. Klara strampelte und fuchtelte mit den Armen, doch Veronika schenkte ihr keinerlei Beachtung und beförderte sie unverdrossen ins Obergeschoss, wo sie das Kind mit einem Plumpsen auf den Wickeltisch setzte. Klara begann wie am Spieß zu schreien, worauf Veronika, die müde und angespannt war, nicht weiter Rücksicht nahm. Sie riss ihr die Windel vom Po, drehte den Wasserhahn des Waschbeckens im Bad auf und kontrollierte die Temperatur. Dann hielt sie den geröteten Babypopo unter den Hahn. Klara schrie aus voller Kehle und wand sich wie ein Fisch. Veronika ließ sich erweichen, prüfte die Temperatur erneut und stellte fest, dass das Wasser zu kalt war. Also drehte sie den Warmwasserhahn weiter auf, rieb den Po mit Seife ab und legte das Kind danach wieder auf den Wickeltisch, wo sie es mit festen und resoluten Bewegungen abtrocknete.
Klara weinte jetzt herzerweichend, wobei sie Veronika sorgsam mit dem Blick auswich.
Mit einem Schlag wurde Veronika klar, was sie da eigentlich tat.
Sie versuchte innezuhalten und sich ein wenig zu entspannen. Klaras Wangen waren inzwischen flammend rot, ihr Weinen klang immer heiserer, und die Nase lief wie ein kleiner Wasserfall. Sie war ja nicht einmal richtig gesund!
Wut stieg in ihr auf. Dass sie so mit ihrer Tochter umspringen musste! Warum konnte sie sich nicht beherrschen? Ruhig und gelassen bleiben und nicht wie gerade eben völlig die Fassung verlieren. Und vor allem ihre eigene Anspannung nicht an anderen auslassen. Schon gar nicht an ihrer eigenen Tochter.
Veronika senkte reumütig ihre Stimme und wählte eine kindgerechte Sprache. Sie blies Klara vorsichtig ins Gesicht, strich ihr liebevoll über Wangen und Haar, hob sie hoch und schmiegte sie dicht an ihren Körper. Wiegte sie dann in ihren Armen und setzte sich schließlich mit ihr auf dem Schoß auf den heruntergeklappten Klodeckel, wo sie ihr mit sanften Händen spielerisch die frische Windel anzog.
»Es tut mir leid, mein Liebes, dass ich so böse war. Das war ziemlich dumm von mir«, entschuldigte sie sich und fragte sich gleichzeitig, an wie viel von diesem Ausbruch sich ihre Tochter später erinnern würde. Sie war immerhin erst dreizehn Monate alt.
Sicherlich besitzt der Mensch die Fähigkeit zu vergessen, und das würde Klara wahrscheinlich auch tun, aber sie selbst würde sich in Zukunft zusammenreißen müssen. Das vorangegangene Erlebnis war ihr eine Warnung.
Klara hatte sich bald wieder beruhigt und weinte nicht mehr, doch sie traute dem Frieden nicht ganz. Die Körpersprache eines gekränkten Kindes ist leicht zu deuten. Klara vermied es, ihrer Mutter in die Augen zu schauen, und stieß vereinzelte halb schniefende Hickser aus, während sie steif auf Veronikas Arm hockte.
Sie gingen zusammen in Klaras Zimmer mit dem Kinderbett, der Kommode und einem niedrigen Regal, auf dem ihre Spielsachen standen. Veronika öffnete eine Schublade und suchte mit einer Hand nach sauberer Kleidung.
Im selben Moment entdeckte Klara Kalle, den Stoffhund, den sie von ihrer großen Schwester Cecilia bekommen hatte. Kalle lag platt auf dem Bauch, die Ohren auf dem Flickenteppich ausgebreitet. Klara zeigte auf ihn und fing an, freudig zu strampeln. Veronika bückte sich, griff nach dem Hund und gab ihn ihrer Tochter. Sie zog ihn zu sich heran und drückte ihn fest an ihren Körper. Gleichzeitig wanderte ihr Daumen in den Mund. Es war, als vermochte einzig dieses Kuscheltier sie vollständig zu trösten.
Als Veronika sich wieder aufrichtete, knackte es in ihren Knien. Sie lächelte ihre zufriedene Tochter an. Eigentlich war es an der Zeit, das Chaos im Wohnzimmer zu beseitigen, doch sie verspürte im Augenblick keinerlei Lust darauf und stellte sich stattdessen mit Klara auf dem Arm ans Fenster. Sie brauchte ganz
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