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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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einfach noch einen Moment, in dem sie die wiedererlangte Nähe zu ihrer Tochter genießen konnte.
    »Sollen wir nach den Vöglein schauen?«, fragte sie, auch wenn die Vögel vom oberen Stockwerk aus nicht so gut zu erkennen waren.
    Dennoch warf sie einen Blick aus dem Fenster und erblickte Claes, der sich mit einer fremden Frau unterhielt. Sie standen unter dem Apfelbaum. Claes wirkte entspannt in seinen Gummistiefeln und dem Fleecepulli. Die Frau schien gerade etwas Lustiges gesagt zu haben, denn er beugte den Oberkörper leicht nach hinten und lachte.
    Die Frau war groß und schlank und schien mit ihrem ganzen Körper zu sprechen. Sie war alltäglich gekleidet und trug dunkle Jeans mit einem hellen Pullover und einer dünnen schwarzen Jacke darüber. Ihr Haar war zurückgekämmt und im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie war dunkelhäutig.
    Das muss Erika Ljung sein, dachte Veronika. Die vielfach erwähnte Schönheit aus dem Polizeicorps. Nur, was wollte sie hier?
     
    »Was für einen Eindruck hat er auf Sie gemacht?«
    Erika Ljung saß mitten in dem wüsten Wohnzimmer, und Veronika war es gelungen, alle Entschuldigungen, die ihr auf der Zunge lagen, hinunterzuschlucken. Ausgerechnet eine Kollegin von Claes! Dennoch gab es keinen Anlass, sich dafür zu schämen, dass das Haus nicht picobello aufgeräumt und spiegelblank geputzt war, um jederzeit unerwarteten Besuch empfangen zu können. Genauso wenig, wie man für den Fall, dass man unvorhergesehen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, tadellos gekleidet sein musste. Von derlei Ansprüchen musste man sich einfach frei machen.
    Ted Västlund war verschwunden. Das war also das Anliegen, das Erika zu ihnen führte. Er hatte sich ganz einfach in Luft aufgelöst. Jedenfalls hatten sie ihn zu Hause nicht angetroffen und seine Ehefrau ebenfalls nicht. Ihr Reihenhaus schien leer und verlassen. Er hatte sich auch nicht in der neurochirurgischen Klinik bei seiner schwer verletzten, im Sterben liegenden Mutter blicken lassen. Genauso wenig hatte er dort angerufen. Nach Erikas Auffassung machte sein Verhalten einen recht ungewöhnlichen Eindruck. Jedenfalls benahm er sich nicht so, wie man es in so einem Fall erwarten würde. Veronika konnte ihr nur zustimmen.
    Da Veronika die einzige Person war, von der die Polizei wusste, dass sie Kontakt mit ihm gehabt hatte, lag die Erklärung für Erika Ljungs Besuch in ihrem liebevoll renovierten Dreißigerjahrehaus auf der Hand.
    Veronika erfuhr erst jetzt, dass Doris Västlund es nicht geschafft hatte. Sie selbst hatte vergessen, anzurufen und nachzufragen, nicht zuletzt deshalb, weil sich Doris Västlund, sobald sie die Klinik im Krankenwagen verlassen hatte, nicht mehr in ihrem Verantwortungsbereich befand.
    Sie war also an den Folgen ihrer schweren Hirnschäden gestorben. Das verwunderte Veronika allerdings keineswegs. Vielleicht war es sogar am besten so.
    Also handelte es sich jetzt um Ermittlungen in einem Mordfall. Verrückte oder verzweifelte Nachbarn?
    »Was für einen Eindruck er auf mich gemacht hat«, wiederholte Veronika wie zu sich selbst, woraufhin sie sich bemühte, die richtigen Worte zu finden. »Er war … sagen wir … er wirkte gefasst«, antwortete sie kurz.
    »Gefasst«, wiederholte Erika Ljung und begann den Kugelschreiber auf dem Block auf ihrem Oberschenkel in Bewegung zu setzen. »Können Sie das näher beschreiben? Oder versuchen, das Gespräch in Ansätzen wiederzugeben?«
    »Es handelte sich nicht gerade um ein richtiges Gespräch.«
    »Nein?«
    »Die meiste Zeit habe ich geredet.«
    »Und was haben Sie gesagt?«
    »Ungefähr das, was man in so einer Situation sagt.«
    »Und das wäre?«
    »Ich versuchte ihm zu erklären, was passiert war, oder, besser gesagt, das, was ich darüber wusste, und habe ihn dann über die Behandlung und die eventuelle Prognose aufgeklärt. Und …«
    »Und?«
    »Es verlief recht zäh, was an und für sich nicht besonders verwunderlich ist. Ich bekam irgendwie keine Rückmeldung.«
    »Sie hatten also den Eindruck, dass ihn Ihre Worte gar nicht erreichten?«
    Veronika nickte. Ihr dichtes Haar stand eigenwillig vom Kopf ab. An ihren Ohrläppchen hingen kleine goldene Ringe, doch ihr langer Hals war nackt. Insgesamt wirkte sie recht natürlich, mit einem wachen Blick. Sie strahlte unerschöpfliche Energie aus.
    »Oder dass es ihn nicht weiter interessierte, wie es um sie stand. Als sei die Beziehung in irgendeiner Weise gestört«, setzte sie hinzu. »Aber ich finde es

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