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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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nicht erfahren, wenn du nicht fragst.«
    »Aber vielleicht erfährt man ebenso wenig, obwohl man fragt. Kinder verhalten sich solidarisch mit ihren Eltern.«
    »Sicher, aber man kann wenigstens versuchen zu fragen: Wo bist du vom Fahrrad gefallen? Wie ist es passiert? Und zur Mutter gewandt: Haben Sie Ihr Kind geschlagen? Hat Ihr Mann das Kind geschlagen? Hat jemand anders Ihr Kind geschlagen? Wurde das Kind auf andere Weise schlecht behandelt? Ist das Kind eine Treppe hinuntergefallen? Wie kam es dazu?«
    »Sie hatte keinen Mann. Die Mutter, meine ich.«
    Doch Claes hörte schon nicht mehr zu, denn er war viel zu beschäftigt mit seinen eigenen Gedanken und damit, ihr gute Ratschläge zu geben.
    »Versuch es einfach! Es ist äußerst ungewöhnlich, dass etwas Schlimmes passiert, wenn man nachfragt. Natürlich kann so etwas immer Aggressionen auslösen, das will ich gar nicht bestreiten, aber es geschieht extrem selten, dass man niedergeschlagen wird. Möglicherweise werden die Leute böse, aber das muss man eben wegstecken.«
    Veronika zwirbelte eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern und dachte nach. Sie wollte definitiv niemanden verärgern. Denn das widerstrebte ihr so sehr, dass sie es vermied, wo sie nur konnte. Außerdem entsprach es nicht ihrem Berufsethos und der Auffassung, die sie von ihrem Job hatte. Nämlich zu lindern, zu unterstützen, zu trösten und manchmal auch zu heilen. Im weitesten Sinne zu helfen. Und dafür nicht notwendigerweise als Gegenleistung Lob oder Dankbarkeit zu erhalten. Aber zumindest nicht mit Vorwürfen überhäuft zu werden. Auch wenn sie im Lauf ihrer Berufsjahre selbst in diesem Punkt geläutert war.
    »Wir haben sie auf alle Fälle eingewiesen. Auf diese Weise können wir sie ein wenig länger beobachten«, sagte sie schließlich.
    Sie hatten getan, was in ihrer Macht stand. Den Rest würde die Zeit erweisen.

FÜNFTES KAPITEL
Sonntag, 7. April
    P eter Berg fühlte sich wie ein Fohlen auf der Weide, als er die Treppe nach unten nahm. Endlich konnte er seinen stickigen Arbeitsraum verlassen. Er hatte sich während des Vormittags in dem spärlich besetzten Polizeigebäude einige arbeitsintensive Stunden lang mit einem Stapel von Berichten befasst. Doch bezahlte Überstunden waren teuer, deshalb hatte man sie von oben bis auf weiteres gestrichen.
    Er ging durch die Tür nach draußen.
    Frische, klare Aprilluft schlug ihm entgegen und stimmte ihn, wenn auch etwas verfrüht, auf den herannahenden Sommer ein. Gegen Nachmittag würde es wahrscheinlich verhältnismäßig warm werden, dachte er, während er in den Himmel schaute. Plötzlich und gänzlich unvorbereitet versetzte es ihm einen Stich, und unter seine anfängliche Ausgelassenheit mischte sich ein vages Gefühl von Verlassensein. Ausgerechnet an einem schönen Sonntag wie diesem musste er völlig weitabgewandt arbeiten. Ein unbestimmter Eindruck des Ausgeschlossenseins von eventuellen Waldausflügen oder geselligen Gartenrunden beschlich ihn und verleitete ihn zu der Empfindung, nirgends richtig dazuzugehören.
    Er fühlte sich unglaublich einsam.
    Mechanisch schloss er sein Auto auf. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich ein wenig zu bewegen und einen raschen Spaziergang in Richtung Westen in die Friluftsgatan zu machen, doch es dauerte zu lange, wie er fand. Er wollte dieser rastlosen Einsamkeit entkommen. Vielleicht würde er etwas später am Nachmittag oder Abend noch eine Laufrunde einlegen können. Der Gedanke setzte sich unmittelbar fest und entwickelte sich zu einem dringenden Bedürfnis, einer starken Lust, mitten in seiner betrüblichen Stimmung. Während er den ziemlich öden Parkplatz, der von tristen Bürogebäuden eingerahmt wurde, mit dem Auto verließ, setzte er seine Füße in Gedanken schon auf weiche, federnde Waldwege und löschte seinen Durst nach der physischen Anstrengung, einer völligen Verausgabung, die ihn schwitzen ließ und seine Muskeln ordentlich durchblutete und mürbe machte.
    In der Rådmansgatan, ein kurzes Stück entfernt vom Haus, fand er eine Parklücke. Andere freie Parkplätze gab es nicht, außer möglicherweise einer Toreinfahrt, die allerdings mit einem Parkverbotsschild versehen war. Auch wenn er es als höchst unwahrscheinlich beurteilte, dass gerade jetzt jemand hinein- oder herausfahren wollte, erschien es ihm etwas vermessen, den Wagen gerade davor abzustellen. Außerdem besaß er gesunde Beine.
    Als er sich dem Gebäude näherte, das im Prinzip die halbe Fläche des Viertels

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