Toedliche Blumen
Notaufnahme zu verweisen, von der sie jedoch wusste, dass es auch dort Engpässe gab. Doch darauf wollte sich die Frau auf gar keinen Fall einlassen. Einen ganzen Tag lang dort herumzusitzen und kostbare Zeit zu vertrödeln. Soweit Astrid Hård verstand, handelte es sich bei der Anruferin also um eine viel beschäftigte Person. Die Stimme an ihrem Ohr redete weiter auf sie ein. Astrid begann unterdessen an Peter Berg zu denken, er wuchs förmlich vor ihr aus dem Boden, stand ganz plötzlich vor ihr und lächelte sie freundlich an. Die Frau am anderen Ende der Leitung bekam erstaunlicherweise mit, dass Astrid nicht ganz bei der Sache war.
»Sind Sie noch da?«
»Ich höre«, erwiderte Astrid mit gewohnter Freundlichkeit und fand, dass die Frau nicht gerade todkrank klang.
Sie begann erneut, im Terminplan auf ihrem Bildschirm nach dem frühesten freien Termin zu suchen, nicht gerade bei einem der besonders begehrten Ärzte, aber man konnte nicht alles haben. Die Frau am Telefon akzeptierte schließlich notgedrungen den Termin. Astrid bewegte ihren Zeigefinger auf die Stopptaste zu, um das Gespräch zu beenden, und exakt in dem Moment, als sie draufdrückte, sorgte ein raschelndes Geräusch hinter ihr dafür, dass sich ihre Nackenhaare sträubten.
Die Kollegin am Schreibtisch hinter ihr war gerade dabei, eine leere Papiertüte zusammenzuknüllen.
Astrid schluckte und spürte, dass sie völlig verspannt war. Nur wenige Sekunden später kam ein Arzt auf sie zu, um einige Besuchszeiten zu ändern.
»Was ist denn mit Ihnen los?«, wollte er wissen.
Sie runzelte die Stirn.
»Nichts«, antwortete sie und schaute sich sicherheitshalber noch einmal um.
Janne Lundin und Benny Grahn liefen zum hundertsten Mal über den mit Pflastersteinen belegten Innenhof. Er lag zu dieser Tageszeit noch im Schatten, und die Luft war etwas feucht, aber es versprach ein schöner Tag zu werden. Ein weißer Plastikstuhl stand einsam herum. Wahrscheinlich würde das andere Gartenmobiliar, das sie bei ihren Inspektionen im Keller hatten stehen sehen, erst später herausgestellt werden.
Lundin sah auf die Uhr. Um neun sollte die Werkstatt öffnen. Es war fünf Minuten vor neun, und er hatte erwartet, dass die Inhaberin, eine gewisse Rita Olsson, möglicherweise etwas früher kommen würde, doch das war offensichtlich nicht der Fall.
Benny Grahn begann rastlos alle Ecken und Winkel des Hofes zu durchkämmen, was er bereits einige Male zuvor getan hatte, doch sah er keinen Grund, eine weitere Gelegenheit unnütz verstreichen zu lassen. Er warf einen Blick hinter das Wohlriechende Geißblatt, das an der einen Ziegelmauer des Hofgebäudes spärlich rankte, hob die Fußmatte aus grauem Gummi vor der Tür zur Werkstatt an, schaute in die beiden Keramikübertöpfe mit Osterglocken, die die Treppe zum Eingang gegenüber der Waschküche flankierten, nahm schließlich den weißen Plastikstuhl, trug ihn zur Grundstücksmauer und versuchte in den Nachbargarten hinüberzuschauen.
»Kannst du etwas sehen?«, wollte Lundin wissen.
»Nein. Ich bin zu klein.«
»Lass mich es versuchen«, bot Lundin an, stieg auf den Stuhl und stellte fest, dass man nicht viel mehr als einen Baum, einige Johannisbeersträucher und eine Holzterrasse sehen konnte, die bis auf einige leere, ineinander gestapelte Pflanzgefäße in einer Ecke leer geräumt war.
Rita Olsson, die bisher noch keiner der Polizisten getroffen hatte, war immer noch nicht aufgetaucht. Von sämtlichen Eigentümern im Gebäude hatten sie bisher nur Gutes über sie gehört.
Benny setzte unterdessen sein Stöbern fort, ging mit bestimmten Schritten in Richtung des Schuppens, der an die Werkstatt grenzte und in dem der Müll nach allen Regeln der modernen Trennung deponiert war. Man hatte den Abfall bereits gleich zu Beginn durchsucht, doch es sprach nichts dagegen, es noch einmal zu tun. Beschriftungen in Großbuchstaben sorgten dafür, dass Papier, Metall, Kartons, Kompost und farbiges beziehungsweise farbloses Glas in die richtigen Behälter sortiert wurden. Benny hob einen Deckel nach dem anderen an und stocherte mit einem Metallstab in den Abfällen herum, fand jedoch nichts Aufsehenerregendes. Jedenfalls nicht sofort.
»Ist die Müllabfuhr schon da gewesen?«, wollte Lundin wissen.
»Nein«, entgegnete Benny.
Lundin stellte sich wieder in den Hof. Er wollte es mitbekommen, wenn Rita Olsson erschien. Irgendwie verblüffte es ihn, wie ausgestorben der Hof wirkte, doch alle Bewohner des Hauses
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