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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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Augenblick zufrieden in ihrer Kinderkarre auf dem Rasen. Die Mütze war ihr etwas ins Gesicht gerutscht, und sie knabberte an einem Zwieback, den sie in der Hand hielt. Gespannt verfolgte sie seine Arbeit mit ihrem Blick. Es schien, als wolle sie ihn regelrecht anfeuern.
    Sie waren bereits über eine Stunde lang draußen, und er war inzwischen durchgeschwitzt. Er hatte sich mit den abgesägten Ästen abgekämpft, sie über das Grundstück geschleift, auf den Hänger gewuchtet, sich dann auf die Ladefläche gestellt, um Äste und Zweige herunterzupressen, daraufhin die nächste Fuhre angeschleppt und gleichzeitig ein Auge auf seine Tochter geworfen, die sich auf unsicheren Beinen über den Rasen bewegt hatte, gestolpert und schließlich herumgekrabbelt war, sodass ihr Overall aussah, als würde er niemals wieder sauber werden. Aber sie war sowieso schon fast aus ihm herausgewachsen, und außerdem würde es bald so warm draußen werden, dass sie ihn nicht mehr benötigte.
    Morgens war es immer noch recht frisch, aber der Frühling nahte merklich. Die Blumenzwiebeln, die er im vergangenen Herbst in die Erde gesteckt hatte, zeigten sich bereits mit Stängeln und Blättern. Osterglocken, Narzissen und Tulpen würden bald in allen Farben erblühen. Er erwartete mit Spannung, dass sie zu knospen begannen.
    Er warf die letzten Zweige auf den Anhänger und hakte das Gitter ein. Jetzt konnte er also losfahren. Das versuchte er auch seiner Tochter klar zu machen.
    »Also«, sagte er zu ihr. »Jetzt nur noch zur Kippe.«
    Sie schaute ihn mit großen Augen an. Er redete den ganzen Tag mit ihr, also war sie es gewöhnt. Sollte sie doch begreifen, was sie wollte, dachte er.
    Er setzte sich in die Hocke neben sie und wiederholte, was er gesagt hatte.
    »Zur Kippe, verstehst du, Klara?«
    Im Vorbeigehen drückte er ihr einen Kuss auf die Wange.
    »Tiii … tiii«, rief sie fröhlich.
    Er deutete ihren Ausruf als »Kippe«. Er hatte ihr schon so viel von diesem Ort erzählt – und sie waren in der letzten Zeit auch schon mehrfach wegen anderem Müll dort gewesen –, dass »Kippe« bereits zu Klaras festem Wortschatz gehörte. Mama, Papa und Kippe. Auch wenn die Reihenfolge nunmehr Papa, Mama und Kippe lautete. Er wusste, dass der Ausdruck »Müllkippe« nicht mehr existierte, jetzt hieß es »Recyclingzentrale«, aber wer konnte seinem Kind diesen Begriff schon beibringen.
    Er schaute zum Himmel. Leicht bewölkt, aber dennoch ein schöner Tag.
    Ein dunkelblauer Rucksack mit frischen Windeln, Kleidung zum Wechseln für Klara und unter anderem einer Banane für den kleinen Hunger stand im Hausflur. Er holte ihn, nahm außerdem das Handy mit, schloss die Tür ab, setzte Klara in den Kindersitz und schnallte sie an. Sie versuchte sich wieder herauszuschlängeln. Er drückte sie herunter. Sie schrie. Dann versuchte er es mit der Banane, die sie jedoch nicht wollte. Autofahren wollte sie auch nicht. Also schaltete er das Radio an, in dem gerade Popmusik lief. Das Schreien verstummte, und sie wurde still, drehte ihren Kopf und suchte nach der Geräuschquelle. Er nutzte den Augenblick, um den Motor zu starten, und rollte langsam mit dem Anhänger hinter sich auf die ruhige Straße ihres Wohnviertels. Klara erblickte plötzlich die Banane, doch er konnte sie mit den Händen am Lenkrad schlecht schälen. Also griff er mit der einen Hand in den Rucksack zu ihren Füßen, bekam einen alten Zwieback zu fassen, gab ihn ihr und stellte sie damit erneut ruhig, während ihm gleichzeitig der Gedanke kam, dass sie wahrscheinlich den gesamten Sitz voll krümeln würde. In dieser Hinsicht war er richtig froh, dass sein Auto mit Ledersitzen ausgestattet war. Noch dazu dunkles Leder. Das war ein Verkaufsargument gewesen, das ihn überzeugte, als er vor knapp anderthalb Jahren den Volvokombi gebraucht kaufte, nachdem er mit Wehmut seinen altbewährten Toyota, der ihm bis dahin treue Dienste leistete, hatte verschrotten müssen.
    Trotz seiner Bemühungen, Klara bei Laune zu halten, hatte er ein wenig Muße, seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Sogar ziemlich ungestört. Unter anderem stellte er fest, dass er immer noch mit dem angenehmen Gefühl herumlief, verlängerten Urlaub zu haben. Also hatte er noch nicht begonnen, sich zu langweilen oder sogar zu leiden – warum sollte er auch? –, was ihm im Großen und Ganzen alle prophezeit hatten. »Wart’s ab!«, hatte Veronika gemeint. »Es kommt schleichend: die Langeweile, das Gefühl, außen vor zu

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