Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
verstehen, daß er ihr zu dem Beitrag gratulierte.
Was zum Teufel hatte er hier eigentlich zu suchen, und wie kam er dazu, ihnen zuzuschauen und auch noch ihre Arbeit zu bewerten? Der Mann hatte doch jetzt eine ganze Woche frei. Warum war er nicht irgendwo am Strand, im Gebirge oder sonstwo? Als Deanna sich wieder zur Kamera wandte und ihr Stichwort aufnahm, konnte sie spüren, wie der nüchterne Blick aus seinen kühlen, blauen Augen auf ihr ruhte.
Während der Unterbrechung der Sendung für den letzten Werbeblock vor Deannas Viertelstunde hatte sich ihre innere Ruhe in schäumende Wut verwandelt.
Deanna schob ihren Sessel vom Tisch weg, ging die Stufen hinab und lief mit energischen Schritten über die Kabelschlangen hinweg. Bevor sie jedoch ihren heutigen Gast begrüßen konnte, baute sich Finn vor ihr auf.
»Sie sind ja noch besser als in meiner Erinnerung.« »Wirklich?« Mit einem kurzen Ruck zerrte sie am Saum ihrer Jacke. »Mit einem solchen Kompliment werde ich jetzt glücklich sterben können.«
»Es ist nur eine Beobachtung.« Er ergriff ihren Arm, damit sie ihm nicht entwischen konnte. »Ich werde aus Ihnen einfach nicht schlau. Stehe ich immer noch auf Ihrer schwarzen Liste, weil ich neulich Ihre Story an mich gerissen habe?«
»Sie stehen auf gar keiner Liste. Ich kann es nur nicht ausstehen, wenn man mich beobachtet.«
Finn mußte grinsen. »Dann haben Sie aber den falschen Beruf, Kansas.«
Er ließ sie los. Einem plötzlichen Impuls folgend, setzte er sich auf einen der Klappstühle hinter den Kameras. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt zu bleiben und wußte auch, daß er das jetzt nur deshalb tat, weil er Deanna ärgern wollte. Ursprünglich war er diesen Nachmittag hier aus dem gleichen Grund aufgetaucht, weswegen er auch am Abend zuvor erschienen war: weil er es genoß, wieder zurück in den Studios von Chicago zu sein.
Außer seiner Karriere gab es im Augenblick nicht viel in
seinem Leben, aber das war ihm so auch am liebsten. Er beobachtete, wie Deanna hinter der Bühne ihre Gäste beruhigte, indem sie mit ihnen plauderte, und dachte nach. Wäre sie erleichtert oder verärgert, wenn sie wüßte, daß er den Rest des Wochenendes überhaupt nicht mehr an sie gedacht hatte? Seine jahrelange Tätigkeit als Fernsehjournalist hatte ihn zu einem Experten darin gemacht, sein Leben in einzelne Bereiche aufzuteilen. In seiner Arbeit, beim Gestalten einer Story oder in seinen ehrgeizigen Karriereplänen hatten Frauen nichts zu suchen.
Die Monate in London hatten seinem Ruf und seiner Glaubwürdigkeit gutgetan, doch jetzt war er froh, wieder in Chicago zu sein.
Als er Deanna lachen hörte, kreisten seine Gedanken jedoch erneut um sie. Das Lachen gefiel ihm; es klang rauchig und nach raffiniertem Sex und paßte zu ihrem Aussehen, stellte er fest. Und diese Augen! Im Augenblick waren sie voller Wärme und blickten mit lebhaftem Interesse auf ihren Gast, eine Künstlerin, die gerade auf eine an diesem Abend stattfindende Veranstaltung aufmerksam machte, bei der sie ihr Können unter Beweis stellen wollte.
Finn hatte im Augenblick für Kunst keinen Sinn. An Deanna jedoch war er sehr stark interessiert. Die Art und Weise, wie sie sich nur ein ganz kleines Stück nach vorne beugte, um dem Interview eine etwas intimere Note zu geben, war ihm genausowenig entgangen wie die Tatsache, daß sie kein einziges Mal einen Blick in ihre Notizen warf und unsicher nach der nächsten Frage suchte.
Auch als das Programm für die Werbung unterbrochen wurde, schenkte Deanna ihrem Gast weiterhin ihre Aufmerksamkeit. Beim Verlassen des Studios hatte die Künstlerin dadurch eindeutig an Selbstbewußtsein gewonnen. Für den Schlußteil der Sendung glitt Deanna wieder mit Roger hinter den Nachrichtentisch.
»Sie ist gut, nicht wahr?«
Finn blickte sich um. In der Nähe der Studiotüren stand Simon Grimsley, ein Mann mit schmalen Schultern und einem langen, schmalen Gesicht, das sich unaufhörlich besorgt
und zweifelnd in Falten legte. Auch wenn er lächelte, was er gerade tat, verkündete sein Blick immer unausweichliches Unheil. Seine Haare lichteten sich bereits, obwohl Finn wußte, daß Simon erst Anfang Dreißig war. Wie immer trug er einen dunklen Anzug und eine ordentlich gebundene Krawatte. Und wie immer betonte seine Kleidung seinen dürren Körper noch.
»Wie geht es dir, Simon?«
»Frag besser nicht.« Simon verdrehte seine dunklen, pessimistischen Augen. »Angela hat heute wieder eine Stinklaune. Ich kann
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