Tödliche Mitgift
der implizierte, dass das doch viel besser sei. »Wollen Sie noch einen Augenblick Platz nehmen?«
»Wir stehen lieber«, meinte Broders mit Blick auf die unbequem aussehenden Stühle aus Chrom und Leder, die in einem Erker gegenüber dem Tresen angeordnet waren.
»Wie Sie wünschen«, antwortete Frau Paulsen, zog einen Aktenordner aus dem Regal und öffnete ihn. Während sie planlos blätterte, wanderten ihre Augen zwischen der Telefonanlage und den Polizeibeamten hin und her.
»Warum können wir denn nicht mit Frau Behring sprechen?«, hakte Pia nach.
»Äh … Sie ist heute nicht im Haus. Herr Hillinger hat gleich Zeit für Sie.«
Pia warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Sie ging ein paar Schritte im Raum auf und ab, betrachtete mit schief gelegtem Kopf ein grell-farbiges Ölbild an der Wand und kam wieder zurück. Der Holzfußboden knarrte unter ihren Schritten.
Sie strahlt noch mehr nervöse Energie aus als sonst, dachte Broders. Er stellte sich vor, dass er einen elektrischen Schlag bekommen würde, wenn er sie am Arm berührte. Sie war blass wie immer, auch Italiens Sommersonne hatte daran nichts geändert, aber wahrscheinlich hatte sie sich sowieso nur in irgendwelchen Büros der italienischen Polizei aufgehalten. Dann, ohne einen erkennbaren Grund, kam Frau Paulsen hinter ihrem Tresen hervor und kündigte an, Herr Hillinger werde sie nun empfangen. Verständigte sie sich via Gedankenübertragung mit ihm?
Hillingers Büro wirkte aufgrund der herabgelassenen Jalousien, die die Nachmittagssonne aussperrten, düster. Der Anwalt war ein stämmiger Mann um die sechzig, der sie mit routinierter Freundlichkeit begrüßte. Sein Schädel war kahl rasiert, und er hätte wohl trotz seines gediegenen Anzugs ausgesehen wie ein Preisboxer, wäre da nicht die goldgefasste Brille mit den kleinen, runden Gläsern gewesen, die seine braunen Augen stark vergrößerte.
Er bot ihnen Platz in zwei Ledersesseln vor seinem Schreibtisch an und fragte, ob sie Kaffee oder etwas anderes zu trinken wünschten. Da wäre dann wieder S. Paulsen ins Spiel gekommen, dachte Broders, nachdem sie beide dankend abgelehnt hatten.
»Und womit kann ich Ihnen nun helfen?«, fragte der Anwalt.
Broders überließ es Pia, den Grund ihres Besuchs zu erläutern. Hillinger hörte ihr scheinbar gelassen zu, nur die Spannung in seinen Händen, die Art, wie er die Fingerkuppen gegeneinander presste, verriet, dass ihn die Angelegenheit, der Mord an Annegret Dreyling und die sich daraus ergebenden Konsequenzen, nicht unberührt ließ. Was im Grunde für das Vorhandensein menschlicher Gefühle sprach, überlegte Broders. Niemand sah es gern, wenn eine Frau auf grausame Art und Weise ermordet wurde, noch dazu, wenn es sich dabei um die Ehefrau oder Schwiegertochter eines langjährigen Mandanten handelte.
Bereitwillig betrachtete Hillinger auf Pias Bitte hin das Phantombild aus Perugia, doch die Zeichnung sagte ihm angeblich gar nichts und erinnerte ihn an niemanden.
»Herr Ole Dreyling hat mir erzählt, dass bezüglich seiner Eheschließung mit Annegret Dreyling ein Ehevertrag aufgesetzt worden ist. Worum ging es in dem Vertrag?«, fragte Pia, nachdem sie das Bild wieder eingesteckt hatte.
»Darüber darf ich nicht ohne Rücksprache mit meinen Mandanten mit Ihnen sprechen. Anwaltliche Schweigepflicht, wie Sie sicher verstehen …«
Pia nickte. »Außerdem erwähnte Herr Dreyling, dass seine Frau sich geweigert hatte, den Ehevertrag zu unterschreiben. Wissen Sie, weshalb?«
»Ich sagte doch schon, dass ich darüber keine Auskunft geben darf, so gern ich Ihnen auch helfen möchte.«
»Wie wäre es, wenn Sie Ole Dreyling anriefen und ihn bitten würden, Ihnen die Erlaubnis zu erteilen? Er selbst kann sich nicht so genau über die rechtlichen Einzelheiten des Vertrags äußern. Trotzdem ist ihm die Aufklärung des Mordes an seiner Frau immens wichtig.«
»Das geht nicht zwischen Tür und Angel. Ich frage mich allerdings, ob es angeraten ist, dass Herr Dreyling sich rechtlichen Beistand in Form eines Strafverteidigers sucht, so wie Sie an seinen privaten Angelegenheiten interessiert sind.«
»Eine Mordermittlung lässt wenig Raum für Privates«, bemerkte Broders. »Und zu der Frage, ob er einen Strafverteidiger benötigt, dürfen wir uns genauso wenig äußern …«
»Eine Patt-Situation also. Sonst noch etwas?«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, hat sich Ihre Mitarbeiterin, Frau Charlotte Behring, um diesen Ehevertrag gekümmert. Wie hat
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