Tödliche Saturnalien
empfangen.«
»Hat er gefrühstückt?« wollte ich wissen.
»Nie«, erwiderte sie mit Bestimmtheit. »Wenn er seine Begrüßungsrunde absolvierte, aß er nur eine Schale heißen Puls. Das war alles.« Sie verzog das Gesicht, und ich konnte es ihr nachfühlen. Auch ich hatte den pampigen Getreidebrei nie gemocht. »Da er zum Gericht wollte, sollten ihn alle Klienten begleiten. Doch als er aus der Tür trat, brach er zusammen, faßte sich an die Brust und atmete schwer. Die Sklaven trugen ihn zurück in sein Schlafzimmer, und jemand rannte los, einen Arzt zu rufen.«
»Warst du Zeuge seines Zusammenbruchs?« fragte ich.
»Nein. Wir hatten getrennte Schlafzimmer in verschiedenen Flügeln des Hauses, und ich stehe selten vor Mittag auf. Der Verwalter hat mich gerufen, nachdem Celer zusammengebrochen war.«
»Und du bist sofort zu ihm geeilt?«
»Natürlich nicht!« erwiderte sie gereizt. »Glaubst du etwa, ich würde mich unfrisiert und ungeschminkt unter bedeutende Menschen wagen?«
»Ist alles schon vorgekommen«, sagte ich. »Es ist sogar üblich, zusammen mit Klagegeschrei und Klopfen auf die eigene Brust.«
»Er war noch nicht tot«, gab sie zurück. »Soweit ich wußte, befand er sich nicht mal in ernster Gefahr.«
»Und wer war der Arzt?«
»Ariston von irgendwas. Er konnte auch nicht mehr viel ausrichten.«
»Ariston von Lykia. Ich habe von ihm gehört. Meine Familie hat sich seiner Dienste versichert.« Wie allgemein üblich ließen ihm die Meteller zu den Saturnalien immer ein fettes Geschenk zukommen, und er kam nach Bedarf ins Haus. Ärzten war es wie Rechtsanwälten per Gesetz verboten, Honorare für ihre Dienste zu verlangen.
»Als ich hinzukam, war er schon bei Celer. Mein Mann atmete schwer, und sein Gesicht war blau angelaufen, als ob er ersticken würde, was jedoch nicht der Fall war. Ariston tastete Celers Bauch ab, sagte etwas von einer Paralyse des Zwerchfells und versuchte, ungeheuer klug zu klingen, aber es war offenkundig, daß er keine Ahnung hatte, was er machen sollte.«
Ariston. Noch jemand, den ich besuchen mußte. Bevor die Sache ausgestanden war, mußte ich wahrscheinlich mit jedem Menschen reden, der sich an jenem Tag in Rom aufgehalten hatte. Möglicherweise war ich sogar gezwungen, die Provinzen zu bereisen, um diejenigen zu erreichen, die Rom verlassen hatten. Die ganze Geschichte wurde immer verwickelter, dabei hatte sie schon kompliziert genug angefangen.
»Wann ist Celer gestorben?« fragte ich Clodia.
»Kurz vor Anbruch der Dunkelheit. Sein Atem ging schwerer und schwerer, bis er direkt nach Sonnenuntergang ganz aussetzte.«
So viel zum Thema spektakuläre Symptome. »Wenn er ein wenig älter gewesen wäre oder sich nicht ganz so guter Gesundheit erfreut hätte«, sagte ich, »wäre niemand auf die Idee gekommen, er könne vergiftet worden sein.«
»Natürlich wären sie das!« rief sie, und zum ersten Mal wurde der Druck deutlich, unter dem sie stand. »Weil ich seine Frau bin! Wenn eine berühmte Persönlichkeit stirbt, und zwar nicht aus Altersschwäche, durch Gewaltanwendung oder an einer erkennbaren Krankheit, wird immer gleich Gift und Hexerei vermutet. Und zufällig ist die Frau des Verstorbenen eine skandalumwitterte Person. Jeder weiß, daß sich Celer und Clodius gehaßt haben und daß ich meinen Bruder stets unterstützt habe. Deshalb muß ich eine Giftmörderin sein.«
»Ich will nicht so tun, als würde ich dir ein derartiges Verbrechen nicht zutrauen«, sagte ich. »Oder die notwendige Skrupellosigkeit, wenn du einen guten Grund hättest. Aber es gibt so viele Kandidaten, daß du nicht einmal ganz oben auf meiner Liste stehst. Clodius, Flavius und Pompeius hatten hinreichend Motive, und das sind nur die drei prominentesten.«
»Ja, aber es sind Männer«, entgegnete Clodia. »Jeder glaubt, daß sie ihn offen und ehrbar getötet hätten, mit Schwertern, Dolchen oder Knüppeln. Gift hingegen gilt als die Waffe der Frauen oder verachtenswerter Ausländer.« Sie begann sich regelrecht zu echauffieren. »Und ich bin eine skandalumwitterte Frau! Ich sage öffentlich meine Meinung, egal wer zuhört. Ich pflege die Gesellschaft von Poeten, Wagenlenkern und Schauspielern. Ich hänge religiösen Praktiken an, die vom Staat nicht gutgeheißen werden. Ich suche meine Sklaven persönlich aus auf den öffentlichen Märkten, und ich trage Gewänder, die von den Censoren verboten wurden. Deswegen muß ich natürlich auch meinen Mann vergiftet haben!«
»Du hast den
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