Tödliche SMS (German Edition)
Kogler die beiden ebenso gern haben wie sie und Silke und sie sozusagen adoptieren, jetzt wo sie nach München zurückging und Silke tot war. Dann hätten die beiden wenigstens so was wie einen neuen Freund im Haus und sie würde sich besser fühlen bei dem Gedanken.
Kogler versprach es.
16.
Samstag, 4. November
Die gesamte Schneepracht hatte sich über Nacht aufgelöst. Die Temperaturen waren auf nahezu zehn Grad geklettert. Ungewöhnlich für diese Jahreszeit.
Wind peitschte über die Grabsteine.
Silke König wurde pünktlich um fünfzehn Uhr auf dem Gersthofer Friedhof im Familiengrab der Königs beigesetzt. Die Trauergemeinde war groß, obwohl aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit keine Parten versendet worden waren. Max hatte sämtliche Freunde und Arbeitskollegen Silkes mobilisieren können. Auch Frau Meinrad, Britta, Gerhard, Remo Bauer und Rita Schuhmann waren gekommen. Letztere wahrscheinlich aus dienstlichen Gründen. Bei Gewaltverbrechen war doch immer die Polizei auf dem Begräbnis der Opfer? Oder bediente sie hier ein Klischee? Trotzdem freute es Andrea. Es war schön zu sehen, wie viele sich die Zeit genommen hatten, um sich von Silke zu verabschieden. Einige unbekannte Gesichter nahm Andrea ebenfalls wahr. Wahrscheinlich Hausbewohner, die den Königs zuliebe gekommen waren, oder Menschen, die Silke schon als Kind gekannt hatten.
Der Sarg ruhte neben dem offenen Grab auf ein paar Holzbrettern. Sie versammelten sich alle ringsum, die meisten weinten.
Andrea stand neben Maria und Walter König. Die beiden wollten es so. Vielleicht auch deshalb, weil sie heute noch kraftloser als sonst wirkten. Andrea fühlte sich auf einmal für Silkes Eltern verantwortlich. So, als wäre sie tatsächlich die große Schwester ihrer besten Freundin gewesen.
Max stand unmittelbar hinter ihr. Sie hatte ihn mit den Königs bekannt gemacht. Silkes Mutter hatte ihn umarmt, einige Minuten festgehalten und ihn auf beide Wangen geküsst. Andrea schrieb das alles Marias Verfassung zu.
Der Pfarrer hatte ebenfalls Mühe, seine Predigt zu halten. Immer wieder unterbrach er sich selbst und wischte mit einem Taschentuch über seine tränennassen Augen. Er versuchte gar nicht erst, seine Trauer zu verbergen.
Er hatte Silke getauft und gefirmt. Natürlich hatte er sie im Laufe der Jahre aus den Augen verloren, so ist das nun mal, wenn Kinder groß werden. Aber dieser Pfarrer gehörte noch zum alten Schlag. Er kannte seine Pappenheimer, konnte sich an jeden seiner Buben und an jedes Mädchen erinnern.
Die Trauerfeier dauerte über eine Stunde. Andrea hatte sich bei Maria untergehakt. Sie hatte aufgehört, ihre Tränen mit einem Taschentuch abzuwischen, ließ ihnen freien Lauf. Auch Maria weinte so sehr, dass ihr schmächtiger Körper zitterte. Dies war das Schlimmste, was Andrea erleben musste, seit dem Auffinden von Silkes Leiche. Die Trauer erstickte sie fast.
Die Trauergäste warfen Blumen oder eine Handvoll Erde ins offene Grab, bekundeten ihr Beileid. Auch ihr wurde die Hand gereicht, wie einem Familienmitglied. Danach verabschiedeten sie sich wieder in ihr eigenes Leben. Nur Max war geblieben – und Gerhard. Er stand etwas abseits und starrte auf das provisorische Holzkreuz am Ende des Grabes. Seine Trauer war echt. Und dann passierte es.
Walter König griff sich an sein gebrochenes Herz, schnappte nach Luft, atmete schwer und sank auf den Boden. Noch bevor Andrea reagieren konnte, war er hart auf dem Kies vor dem Grab aufgeschlagen. Sie hatte es nicht verhindern können.
Sie schrie, sank auf ihre Knie und umklammerte den leblos wirkenden Körper des alten Mannes.
Maria König stand neben ihr, starr vor Schreck, die Hände vorm Gesicht. Sie brachte keinen Laut heraus. War das wirklich das Ende? Starb zu allem Unglück jetzt auch noch ihr Ehemann, am Grab ihrer einzigen Tochter?
All diese Gedanken standen auf ihrem blassen, vor Schmerz verzerrten Gesicht.
„Einen Arzt!“, hörte sich Andrea schreien. „Kann bitte jemand einen Arzt rufen!“ Sie zog ihre Jacke aus, stopfte sie unter Walter Königs Kopf, deutete Max, ihr seine Jacke zu geben. Mit ihr deckte sie den alten Mann zu.
Was sollte sie jetzt tun? Eine Herzmassage? Wie lange lag ihr Erste-Hilfe-Kurs zurück? Achtzehn Jahre, zwanzig Jahre? Sie war wie gelähmt.
In diesem Moment nahmen ihr Rita Schuhmann und Remo Bauer die Entscheidung ab. Etwas unsanft wurde sie zur Seite gezogen und die beiden begannen mit den Erste-Hilfe-Maßnahmen.
Das Geschehen rundum
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